Auch unbeabsichtigte Verstöße gegen Fördermittelbedingungen führen zum Widerruf von Fördermittelbescheiden
Die Empfänger von Fördermitteln aus mit EU-Mitteln finanzierten Förderprogrammen für den ländlichen Raum müssen sorgfältig auf die Einhaltung der Bestimmungen der Fördermittelbescheide achten. Dazu gehört auch, der Fördermittelgeberin vollständige Informationen zur Vergabe der Leistungen zu liefern, die mit dem Geld finanziert werden sollen. Auch wenn nur versehentlich unvollständige Angaben gemacht werden, kann das zum Widerruf bereits bewilligter Fördermittel führen. Das ergibt sich aus einem Beschluss des BVerwG vom 04.01.2022 (Az.: 3 B 14.21).
Der Fall
Dem Beschluss des BVerwG liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Fördermittelgeberin, eine Behörde, bewilligte der Fördermittelempfängerin, einem landwirtschaftlichen Betrieb, als Projektförderung einen nicht zurückzuzahlenden Zuschuss bis zu einer Höhe von 369.566 Euro für den Bau von drei Stahlsilos zur Lagerung von 9.000 t Getreide sowie einer Annahmegosse mit den erforderlichen technischen Einrichtungen. Die Fördermittel stammten aus einem mit EU-Mitteln finanzierten Programm zur Förderung von Entwicklungsmaßnahmen im ländlichen Raum. Der Fördermittelbescheid enthielt u.a. die Auflage, dass der landwirtschaftliche Betrieb Aufträge für das Vorhaben nur an fachkundige und leistungsfähige Anbieter nach wettbewerblichen Gesichtspunkten zu wirtschaftlichen Bedingungen vergeben musste. Soweit möglich, sollten dazu mindestens drei vergleichbare Angebote eingeholt werden. Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Auflage enthielt der Bescheid den Vorbehalt des Widerrufs. Der Betrieb begann mit der Durchführung des Projekts und stellte nicht lange vor dem Ablauf des Förderzeitraums den Antrag, ihm einen Zuschuss in Höhe von 287.796,78 Euro zu zahlen. Die Behörde prüfte den Antrag und stellte mehrere Verstöße gegen die Fördermittelbedingungen fest. Unter anderem war zunächst eines der Angebote für Beton- und Stahlbetonarbeiten das günstigste, ehe der landwirtschaftliche Betrieb durch Nachverhandlungen mit zwei anderen Bietern ein günstigeres Angebot erzielt hatte. Die Fördermittelempfängerin hatte das zunächst günstigste Angebot nicht mit den Unterlagen zur Prüfung des Zahlungsantrags vorgelegt. Die Fördermittelgeberin entschied, dass die Förderung insgesamt abzulehnen sei, weil die Fördermittelempfängerin es versäumt habe, die für die Prüfung erforderlichen Informationen vorzulegen. Deshalb widerrief die Behörde den Zuwendungsbescheid, lehnte die Auszahlung der Mittel ab und setzte Kosten für den Widerruf fest.
Die Entscheidung
Dagegen wehrte sich der landwirtschaftliche Betrieb mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht. Sie argumentierte u.a., dass der Fördermittelgeberin durch die Vorlage unvollständiger Unterlagen kein Schaden entstanden sei. Außerdem seien die Unterlagen nur versehentlich unvollständig vorgelegt worden. Das Verwaltungsgericht hob zwar die Entscheidung über den Widerruf des Fördermittelantrags und die Kosten auf, bestätigte aber die Entscheidung, den Zuschuss nicht auszuzahlen. Dagegen ging die Fördermittelempfängerin in Berufung, unterlag aber. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ab. Es wies darauf hin, dass ein finanzieller Schaden keine Voraussetzung des für die Entscheidung der Fördermittelgeberin maßgeblichen Art. 35 Abs. 6 Satz 1 VO (EU) 640/2014 ist, um eine Förderung abzulehnen oder zurückzunehmen. Vielmehr genügt es, dass falsche Nachweise vorgelegt wurden, um eine Förderung zu erhalten, oder es versäumt wurde, die für die Verwendungsprüfung erforderlichen Informationen zu liefern. Zudem liege es auf der Hand, dass es zu einem Schaden kommen kann, wenn eine Fördersumme trotz eines Verstoßes gegen Unionsvorschriften ausgezahlt wird. Das Bundesverwaltungsgericht erläuterte weiter, dass es auch nicht darauf ankommt, ob die erforderlichen Informationen bewusst oder aus Unachtsamkeit nicht vorgelegt wurden. Schon fahrlässiges Verhalten, also „das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“, genügt.
Die Folgen
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts führt deutlich vor Augen, dass die Empfänger staatlicher Zuschüsse die Bedingungen, unter denen ihnen die Zuschüsse gewährt werden, streng beachten und mit den ihnen überlassenen Mitteln sorgfältig umgehen müssen. Im ländlichen Raum hängen größere Investitionen privater Unternehmen nicht selten davon ab, dass sie mit staatlichen Zuschüssen gefördert werden. Diese Zuschüsse werden bei der Kalkulation der Investition berücksichtigt und oft sogar fest eingeplant. Die Geldbeträge stammen häufig aus mit EU-Mitteln finanzierten Programmen zur Entwicklung des ländlichen Raums. Wenn die Empfänger von Fördermitteln die Fördermittelgeber über die Verwendung der Mittel informieren müssen, sind sie gut beraten, ihnen keine Informationen vorzuenthalten. Deshalb sollten sie ihnen vorsorglich auch solche Informationen zur Mittelverwendung vorlegen, die sie selbst für unwichtig halten; die Einschätzung der Behörde kann nämlich eine andere sein. Damit geht einher, dass die Vergabe der Aufträge, die aus diesen Mitteln finanziert werden, sorgfältig dokumentiert wird. Nur wenn dem Fördermittelgeber diese Dokumentation vollständig vorgelegt wird, einschließlich Informationen zu etwa durchgeführten mehreren Verhandlungsrunden, können die Fördermittelempfänger davon ausgehen, die Behörde insoweit vollständig informiert zu haben. Sonst riskieren sie, dass Fördermittel nicht ausgezahlt oder sogar zurückgefordert werden – was zu erheblichen finanziellen Belastungen führen und ein Unternehmen große Schwierigkeiten bringen kann. Aus diesem Grund sollte vor der Versendung von Informationen an die Behörde stets überprüft werden, ob die Informationen vollständig sind oder noch ergänzt werden müssen.
12. April 2022