
Veröffentlichung „Leitfaden für sensorische Prüfungen von veganen und vegetarischen Lebensmitteln mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs“
Am 16. November 2022 wurde der Leitfaden für sensorische Prüfungen von veganen und vegetarischen Lebensmitteln mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprung veröffentlicht, der vom Lebensmittelverband Deutschland e. V., dem ALS und ALTS erarbeitet wurde. Den Leitfaden finden Sie hier.
Inhalt des Leitfadens
Der Leitfaden hat das Ziel, das Ähnlichkeitskonzept der am 20.12.2018 veröffentlichten Leitsätze für vegane und vegetarischen Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprung handhabbarer zu machen. Die Leitsätze sehen ein abgestuftes Kennzeichnungskonzept in Abhängigkeit von der jeweiligen Ähnlichkeit zu dem in Bezug genommenen Lebensmittel vor. Je nachdem, wie hoch die sensorische Ähnlichkeit ist, wirkt sich dies auf die Bezeichnung eines Erzeugnisses aus. Die Leitsätze differenzieren dabei zwischen einer „hinreichenden“ und einer „weitgehenden“ sensorischen Ähnlichkeit, ohne dem Rechtsanwender zu verdeutlichen, wann denn das eine oder das andere vorliegen soll. Der Leitfaden für sensorische Prüfungen von veganen und vegetarischen Lebensmitteln mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprung soll dieses Defizit nun kompensieren, indem der Leitfaden sowohl der einfachen sensorischen Beschreibung der Beschaffenheit als auch einer sensorischen Prüfung zur Feststellung der Leitsatzkonformität hinsichtlich der sensorischen Parameter dienen soll. Der Leitfaden gibt unter Buchst. A. „Allgemeine Hinweise zur Durchführung der sensorischen Prüfung“ und unter Buchst. B „Produktkriterien zur Feststellung der sensorischen Ähnlichkeit“ an. Sodann folgt eine Auflistung von typischen Produktkriterien bestimmter Erzeugnisse aus den Gruppen Fleischerzeugnisse/ Wurstwaren (Tabelle 1.1), Hackfleisch/Fleischstücke (Tabelle 1.2), Fisch/Fischerzeugnisse (Tabelle 1.3), wie z. B. die typischen sensorischen Eigenschaften einer Salami, die hinsichtlich des Aussehens, des Geruchs, des Geschmacks, der Konsistenz/Textur und des Mundgefühls beschrieben werden. Die Produktkriterien müssen dabei vollständig berücksichtigt werden. Es soll aber nicht auf die Gesamtzahl der erfüllten Kriterien, sondern auf deren jeweilige Ausprägung ankommen, um festzustellen, ob eine „hinreichende“ oder „weitgehende“ sensorische Ähnlichkeit der Leitsätze vorliegt. In den Fällen, in denen die Leitsätze sogenannte „Insbesondere-Kriterien“ vorsehen, sind die in den Tabellen 1.1 – 1.3. aufgeführten Merkmale des jeweiligen Bezugslebensmittels essentiell; sie müssen alle und in allen Teilaspekten erfüllt sein. Der Leitfaden versucht sich zudem an einer Definition der in den Leitsätzen verwendeten Ausdrücke „hinreichende“ und „weitgehende“ sensorische Ähnlichkeit, indem beide Begriffe voneinander abgegrenzt werden. Eine weitgehende sensorische Ähnlichkeit meint hiernach eine nahezu umfassende sensorische Ähnlichkeit, während eine hinreichende sensorische Ähnlichkeit eine angemessene Grundähnlichkeit in Bezug auf bestimmte essentielle sensorische Dimensionen des Bezugslebensmittels bedeuten soll.
Anhang I des Leitfadens enthält einen Entscheidungsbaum zur Prüfung der Leitsatz-Konformität von veganen und vegetarischen Ersatzprodukten im Rahmen der Produktentwicklung. Anhang II gibt Hinweise zu den in den Leitsätzen für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprung vorgesehenen Anforderungen bei Anlehnungen an spezifische Bezeichnungen. Letztlich zeigen die Hinweise das Dilemma der Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel. So wurde festgestellt, dass spezielle/spezifische Bezeichnungen auch für eine Gruppe stehen können (z. B. Leberwurst). Auch sei eine Differenzierung zwischen einer Kategorie von Wurstwaren und der spezifischen Wurstwaren nicht immer eindeutig möglich. Das in den Leitsätzen für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprung vorhandene Kennzeichnungssystem wird durch die Hinweise nicht konsistenter, sondern benennt nur einige Schwachstellen. In Anhang III sind ergänzende Hinweise zur zusatzstoffrechtlichen Einordnung veganer und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprung enthalten. Abschließend machen die Leitsätze einen Vorschlag für ein Prüfschema der Kategorien 1.1 - 1.3.
Ausblick
Der Leitfaden gibt den Rechtsanwendern eine Orientierungshilfe, beseitigt aber nicht die grundsätzlichen Schwachstellen der Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel. Eine Überarbeitung ist erforderlich. Die Beratungen hierzu sollen 2023 wieder aufgenommen werden. Da grundsätzlich an dem Ähnlichkeitskonzept der Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprung als Voraussetzung für die Bezugnahme in den Bezeichnungen festgehalten werden soll, kann der Leitfaden einen Beitrag bei der Bestimmung einer hinreichenden sensorischen Ähnlichkeit bzw. einer weitgehenden sensorischen Ähnlichkeit leisten. Darauf hinzuweisen ist, dass es der Verantwortung des Herstellers eines veganen und /oder vegetarischen Alternativprodukts obliegt, einzuschätzen, ob eine hinreichende oder eine weitgehende Ähnlichkeit zum Bezugslebensmittel besteht. Die in dem Leitfaden genannten typischen sensorischen Produktmerkmale sind dabei nicht in Stein gemeißelt. Der Leitfaden ist rechtlich unverbindlich. Zudem wird darauf hingewiesen, dass solange es keine Einigung im Hinblick auf die dringend erforderliche Überarbeitung der Leitsätze gibt, Klarstellungen und Interpretationen der bestehenden Leitsätze in Form dieses Leitfadens vorgenommen werden.
Einschätzung
Die Erarbeitung eines Leitfadens für sensorische Prüfungen von veganen und vegetarischen Lebensmitteln mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs folgt einem Trend, handwerkliche Schwachstellen in Verordnungen oder anderen nicht gesetzlichen Regelwerken in Form von umfangreichen Auslegungshilfen zu beseitigen. Eine konsistente Überarbeitung der Leitsätze wäre wünschenswert gewesen. Es bleibt daher dabei, dass Bezeichnungen und Aufmachungen von veganen und vegetarischen Lebensmitteln mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs an Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 zu messen sind.
21. November 2022