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Anpassung der Grundbesitzbewertung zum 1. Januar 2023

Mit dem Jahressteuergesetz 2022 werden in verschiedenen Bereichen des Steuerrechts neue gesetzliche Regelungen getroffen. In diesem Rahmen werden auch die Vorschriften zur Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer angepasst. Hierbei sollen in Zukunft die aktuellen Verkehrswerte zugrunde gelegt werden, wie sie sich aus der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) vom 14. Juli 2021 (BGBl. I S. 2805) ergeben. Aus dieser Gesetzesänderung resultieren umfangreiche Änderungen im Bereich des Ertrags- bzw. Sachwertverfahrens, mit dem die Grundbesitzwerte bestimmt werden.

1. Änderungen im Ertrags- und Sachwertverfahren

Wird Grundbesitz durch Schenkung, Erwerb von Todes wegen oder Vermächtnis übertragen, ist für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer der Grundbesitzwert gesondert festzustellen. Dies geschieht – je nach Art der Immobilie – entweder im Wege des Vergleichs-, Ertrags- oder Sachwertverfahrens nach dem Bewertungsgesetz (§§ 177 ff. BewG).

Insbesondere beim Ertrags- und beim Sachwertverfahren kommt es nun zu erheblichen Änderungen. Ziel der Änderungen ist es, die Verfahren zur Bewertung von Grundstücken (einschließlich Erbbaurechten) an die neue ImmoWertV anzupassen. Damit werden die Regelungen zur Verkehrswertermittlung an die Entwicklungen in diesem Gebiet angepasst.

Bei der Ermittlung nach dem Ertragswertverfahren kommt es zur Änderung bei der Ermittlung der Bewirtschaftungskosten. Statt der bisherigen pauschalen Ermittlung auf Basis eines Prozentsatzes der Jahresmiete ist nun vorgesehen, dass sich die Bewirtschaftungskosten aus den tatsächlichen Verwaltungs- und Instandhaltungskosten und dem Mietausfallwagnis zusammensetzen. Daneben werden die Liegenschaftszinssätze an das Marktniveau angepasst und entsprechend herabgesetzt, was im Ergebnis zu höheren Werten führt, wenn die lokalen Gutachterausschüsse keine Zinssätze zur Verfügung stellen; in diesem Fall sind die im Vergleich recht hohen gesetzlich vorgegebenen pauschalierten Liegenschaftszinssätze (§ 188 BewG) anzuwenden. Der Gesetzgeber hat diesen Hebel erkannt und plant beispielsweise den Liegenschaftszinssatz für Mietwohngrundstücke von 5% auf 3,5% zu reduzieren. Durch die geringeren Liegenschaftszinssätze steigen grundsätzlich die mittels Ertragswertverfahren ermittelten Werte.

Bei Anwendung des Sachwertverfahrens wird die bisherige Ermittlung des Gebäudesachwerts angepasst. Dieser ermittelt sich nun durch Multiplikation der durchschnittlichen Herstellungskosten des Gebäudes mit dem neu eingeführten Regionalfaktor sowie dem Alterswertminderungsfaktor. Der Regionalfaktor soll die regionalen Unterschiede in den Baukosten abbilden und wird gegebenenfalls von den Gutachterausschüssen festgelegt. Außerdem ist eine Anpassung der Wertzahlen an das aktuelle Marktniveau vorgesehen, was ebenfalls zu höheren Immobilienwerten führen wird. Als Wertzahlen gelten die von den Gutachterausschüssen ermittelten Sachwertfaktoren. Stehen keine geeigneten Sachwertfaktoren zur Verfügung, sind die vorgegebenen Wertzahlen zu verwenden. Diese Wertzahlen werden durch das Jahressteuergesetz 2022 für Immobilien in guter Lage im Ergebnis von bisher 1,0 auf 1,3 oder sogar 1,4 angehoben. Ebenfalls geändert wird die Gesamtnutzungsdauer insbesondere für Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke und Wohnungseigentum. Hier wird die Gesamtnutzungsdauer von 70 auf 80 Jahre erhöht. Das führt zu einer höheren Kapitalisierung des Reinertrags.

2. Höhere Grundbesitzwerte

Die geplanten Änderungen werden die Bewertung des Grundbesitzes deutlich verändern. Es ist davon auszugehen, dass Grundbesitzwerte aufgrund der geänderten Bewertungsverfahren in Zukunft deutlich höher ausfallen werden als noch für Übertragungen, die bis einschließlich 31. Dezember 2022 erfolgen und für die noch die alten Bewertungsvorschriften gelten. Dies ist jedenfalls regelmäßig dann der Fall, wenn die Gutachterausschüsse nicht selbst Liegenschaftszinssätze oder die Wertzahlen zur Verfügung stellen, sondern die geänderten gesetzlichen Werte zum Tragen kommen.

Neben der Erhöhung der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage aufgrund der höheren Grundbesitzwerte dürfte in vielen Fällen hierdurch auch die nächste Progressionsstufe bei der Erbschaftsteuer erreicht und/oder die Grenze für einen Großerwerb (über 26 Mio. Euro) von begünstigtem Vermögen überschritten werden.

Zwar kann gegenüber dem Finanzamt nach wie vor der tatsächlich niedrigere gemeine Wert des Grundbesitzes mit einem Gutachten nachgewiesen werden (§ 198 BewG). Angesichts des aktuellen Preisniveaus am Immobilienmarkt wird dies jedoch selten gelingen.

3. Auswirkungen für die Praxis

Sollten bereits unentgeltliche Übertragungen angedacht und konkret geplant sein, sollte diese nach Möglichkeit noch vor Ablauf des 31. Dezember 2022 in Betracht gezogen werden und damit gegebenenfalls vor Zugrundelegung der höheren Bewertungsansätze. Es ist aber eine Frage des Einzelfalls, ob die geplanten Änderungen tatsächlich zu einer relevanten Erhöhung des erbschaft- bzw. schenkungsteuerlichen Wertes führen und die Übertragung in diesem Jahr tatsächlich noch Vorteile bietet.

Sollten Sie konkrete Pläne oder Fragen zu den Änderungen haben, beraten wir Sie gern.

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