BiFi-Urteil des EuGH zur Austauschregelung – Produktname und Bezeichnung des Lebensmittels meinen dasselbe
Der EuGH hat mit Urteil vom 01.12.2022 – C- 595/21 – entschieden, dass der Begriff „Produktname“ in der Regelung zur Austauschzutat in Anhang VI Teil A Nr. 4 Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 („LMIV“) und „Bezeichnung des Lebensmittels“ in Artikel 17 LMIV dieselbe Bedeutung haben.
Zum Sachverhalt
Dem Urteil des EuGH liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Austauschregelung in Anhang VI Teil A Nr. 4 LMIV bestimmt im Falle von Lebensmitteln, bei denen ein Bestandteil oder eine Zutat, von dem oder der die Verbraucher erwarten, dass er oder sie verwendet wird oder von Natur aus vorhanden ist, durch einen anderen Bestandteil oder eine andere Zutat als die Erwartete ersetzt wurde, dass die Kennzeichnung zusätzlich zum Zutatenverzeichnis mit einer deutlichen Angabe des Bestandteils oder der Zutat versehen sein muss, der oder die für die teilweise oder vollständige Ersetzung verwendet wurde. Die Austauschregelung bezweckt, den Täuschungsschutz zu verbessern, also um den Austausch von „werthaltigen“ Zutaten durch „weniger werthaltige“ Zutaten sichtbar zu machen. Daher sieht Anhang VI Teil A Nr. 4 LMIV auch vor, dass der Hinweis auf die Austauschzutat in unmittelbarer Nähe zum Produktnamen erscheinen und in einer Schriftgröße angegeben werden muss, deren x-Höhe mindestens 75 % der x-Höhe des Produktnamens beträgt.
Streitig war, was unter „Produktname“ zu verstehen ist. Auf dem streitgegenständlichen Erzeugnis war auf der Vorderseite die Angabe „BiFi The Original Turkey“ und auf der Rückseite die Bezeichnung „Geflügel-Minisalami mit Palmfett und Rapsöl“ angegeben. „BiFi The Original“ ist eine nach deutschem Recht eingetragene Wort-/Bildmarke und eine nach Unionsrecht eingetragene Bildmarke. Die bayerischen Behörden waren der Ansicht, dass auch auf der Schauseite der Verpackung hinter dem Handelsnamen „BiFi The Original Turkey“ die Angabe „mit Palmfett und Rapsöl“ zu ergänzen ist, um den Verbrauchern zu verdeutlichen, dass die Geflügel-Minisalami Palmfett und Rapsöl als Ersatz für tierisches Fett enthält.
Zur Entscheidung
Der EuGH entschied, dass der in Anhang VI Teil A Nr. 4 LMIV enthaltene Ausdruck „Produktname“ keine eigenständige Bedeutung hat, die sich von derjenigen des Ausdrucks „Bezeichnung des Lebensmittels“ im Sinne von Artikel 17 Abs. 1 LMIV unterscheiden würde, so dass die besonderen Kennzeichnungsvorschriften in Anhang VI Teil A Nr. 4 LMIV nicht für die „als geistiges Eigentum geschützte Bezeichnung“, „Handelsmarke“ oder „Fantasiebezeichnung“ im Sinne von Artikel 17 Abs. 4 LMIV gelten.
Zur Begründung seiner Ansicht verweist der EuGH darauf, dass der Begriff „Produktname“ ausschließlich in Anhang VI Teil A Nr. 4 LMIV verwendet und in der Verordnung nicht definiert werde. Selbst wenn die deutsche und die französische Sprachfassung der LMIV den Eindruck erwecken würden, als handele es sich bei den Begrifflichkeiten „Produktname“ und „Bezeichnung des Lebensmittels“ um zwei eigenständige Begriffe, so werde dies durch die anderen Sprachfassungen nicht gedeckt. Aus der Legaldefinition des Begriffs Lebensmittels in der LMIV werde zudem deutlich, dass der Begriff „Produktname“ nichts anderes meinen könne als der Ausdruck „Bezeichnung des Lebensmittels“. Zudem verweist der EuGH auf den systematischen Kontext, in den sich die Regelung des Anhangs VI Teil A Nr. 4 LMIV einfügt, in dem es um die verpflichtenden Angaben zur Ergänzung der „Bezeichnung des Lebensmittels“ geht. Abschließend führt der EuGH aus, dass das hohe Verbraucherschutzniveau der LMIV gewährleistet sei und verweist auf seine frühere Rechtsprechung zum normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher.
Ausblick
Das Urteil des EuGH beendet die jahrelang vertretene Behördenauffassung, dass mit dem Begriff „Produktname“ sowohl die Bezeichnung des Lebensmittels, aber auch eine Fantasiebezeichnung oder ein Markenname gemeint sein kann. Es wäre zu begrüßen, wenn das EuGH Urteil auch Berücksichtigung bei der Überarbeitung der Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprung findet. Diese stellen nämlich als Auslösetatbestand sowohl auf die „Bezeichnung“ als auch auf den „Produktnamen“ ab, wobei ausdrücklich das Verständnis zugrunde gelegt wird, dass der Anwendungsbereich der Leitsätze auch dann eröffnet sein soll, wenn in einer Fantasiebezeichnung oder in einem Markennamen eine Bezugnahme auf Lebensmittel mit tierischen Zutaten erfolgt. Dies ist nach dem Urteil des EuGH nicht mehr vertretbar.
8. Dezember 2022