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GmbH-Recht: Wann ist die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers erforderlich?

Die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers kommt nur als ultima ratio in Betracht, wenn keine anderen Möglichkeiten bestehen, die Führungslosigkeit einer GmbH zu beseitigen.

Der Beschluss des OLG Karlsruhe vom 27.04.2022 (1 W 71/21)

Eine GmbH („Gesellschaft“) hatte ursprünglich vier Gesellschafter. Einer der Gesellschafter, der gleichzeitig einziger Geschäftsführer war, war allerdings seit ca. 2 Jahren verstorben. Streitig war, wer dessen rechtmäßiger Erbe war. Zudem war eine Mitgesellschafterin an Demenz erkrankt. Daher beantragte einer der weiteren Gesellschafter, sich selbst oder hilfsweise die dritte verbliebene Gesellschafterin zum Notgeschäftsführer zu bestellen. Das Amtsgericht lehnte dies jedoch ab, da ein dringender Fall i.S.d. § 29 BGB analog nicht dargelegt worden sei. Insbesondere könne auch durch Bestellung eines Betreuers für die vermeintlich geschäftsunfähige Gesellschafterin die Stimmrechtsausübung und damit die Bestellung eines neuen Geschäftsführers ermöglicht werden.

Auf Beschwerde des Gesellschafters entschied das OLG Karlsruhe („OLG“) jedoch, dass die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers vorliegend erforderlich gewesen sei. Auf Antrag könne das Registergericht am Sitz der Gesellschaft in dringenden Fällen als ultima ratio einen Notgeschäftsführer bestellen, wenn eine GmbH aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen führungslos wird und die Gesellschafterversammlung nicht in der Lage ist, innerhalb einer angemessenen Frist einen Geschäftsführer zu bestellen. Ein dringender Fall setze zudem voraus, dass der Gesellschaft oder einem Beteiligten ohne Notgeschäftsführerbestellung Schaden droht oder eine alsbald erforderliche Handlung nicht vorgenommen werden kann.

Dies sah das OLG vorliegend als gegeben. Nach dem Tod des einzigen Gesellschafter-Geschäftsführers sei die Gesellschaft führungslos gewesen. Zudem sei die Gesellschafterversammlung nicht in der Lage gewesen, einen neuen Geschäftsführer zu bestellen, der eine aktuelle Gesellschafterliste beim Handelsregister hätte einreichen können. Eine ordnungsgemäße Ladung zur Gesellschafterversammlung habe wiederum nicht erfolgen können, da der verstorbene Geschäftsführer noch als Gesellschafter in der Gesellschafterliste eingetragen und die Erben nicht bekannt waren. Ein etwaiges Erbscheinverfahren hätte vorliegend nicht abgewartet werden können. Denn die Gesellschaft sei schon ca. zwei Jahre führungslos und die Gesellschaft müsse ihren gesetzlichen Verpflichtungen, wie z.B. der Veröffentlichung von Jahresabschlüssen nachkommen. Ansonsten drohe der Gesellschaft erheblicher Schaden.

Praxishinweis

Das Urteil des OLG überzeugt vor dem Hintergrund der langen Dauer der Führungslosigkeit der Gesellschaft und des Umstands, dass die Erben nicht bekannt waren.

Die Gesellschafterversammlung ist jedoch nicht in jedem Fall bei Versterben des einzigen (Gesellschafter-)Geschäftsführers daran gehindert, einen neuen Geschäftsführer zu bestellen. Sind die Erben durch Erbschein ausgewiesen, wird es in der Praxis regelmäßig von den Registergerichten über § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG (analog) akzeptiert, dass die Erben an der Beschlussfassung über die Bestellung eines neuen Geschäftsführers bereits mitwirken. Dafür muss allerdings die neue Gesellschafterliste unverzüglich zum Handelsregister eingereicht und der entsprechende Erbschein vorgelegt werden.

Das Risiko, dass ein Notgeschäftsführer bestellt werden muss, besteht in der Praxis gerade bei Ein-Mann-GmbHs mit nur einem Gesellschafter-Geschäftsführer. Hier sollten frühzeitig vorbeugende Maßnahmen getroffen werden. So kann z.B. eine über den Tod hinaus wirkende Vollmacht zur Vertretung in der Gesellschafterversammlung erteilt werden. Ältere Gesellschafter-Geschäftsführer sollten sich zudem überlegen, vorsorglich einen zweiten, ggf. gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer zu bestellen oder die GmbH-Geschäftsanteile schon zu Lebzeiten an die zukünftigen Erben zu übertragen. Das richtige Vorgehen sollte am besten frühzeitig mit den Rechts- und Steuerberatern abgestimmt werden.     

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