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Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den GmbH-Geschäftsführer

Über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Geschäftsführer entscheidet die Gesellschafterversammlung. Fehlt der Beschluss, dann ist die GmbH im Gerichtsverfahren nicht klagebefugt. Dies zeigt ein Urteil des OLG Naumburg.

Zum Sachverhalt

Dem Urteil des OLG Naumburg liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin ist eine Wohnungsbaugesellschaft in der Rechtsform einer GmbH mit zwei Geschäftsführern. Die Gesellschaft begehrte von einem der Geschäftsführer Schadensersatz, weil er ohne Absprache mit dem weiteren Geschäftsführer Vergütungszahlungen veranlasst hatte, für die nach Auffassung der Gesellschaft kein Rechtsgrund bestand. Erstinstanzlich wurde die Klage vom Landgericht Stendal abgewiesen. Gegen das Urteil wandte sich die Klägerin mit der Berufung.

Das Urteil des OLG Naumburg vom 29.04.2021 (Az. 2 U 91/20)

Die Berufung hatte keinen Erfolg. Der erstinstanzlich noch nicht gefasste Gesellschafterbeschluss, der notwendige Voraussetzung für die Geltendmachung der Ersatzansprüche ist, wurde von der Klägerin zwar nachgeholt. Sie konnte aber den Eintritt eines Vermögensschadens durch das Verhalten des Geschäftsführers nicht beweisen.

Praxishinweis

Den Geschäftsführer einer GmbH treffen vielfältige Pflichten, die teilweise konkret im Gesetz geregelt sind (z.B. die Pflicht zur Kapitalerhaltung, zur Einreichung einer Gesellschafterliste nach Änderungen im Gesellschafterbestand oder zur ordnungsgemäßen Buchführung) oder sich allgemein aus § 43 Abs. 1 GmbHG ergeben, der die Geschäftsführung dazu verpflichtet, bei allen Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Verletzt der Geschäftsführer diese Obliegenheit bei der Wahrnehmung einer Pflicht, haftet er nach § 43 Abs. 2 GmbHG persönlich für die daraus entstandenen Schäden.

Der Geltendmachung solcher Ersatzansprüche gegen aktuelle oder bereits ausgeschiedene Geschäftsführer muss bei der GmbH ein Beschluss der Gesellschafterversammlung vorausgehen (§ 46 Nr. 8 alt. 1 GmbHG). In diesem Gesellschafterbeschluss muss zunächst das konkrete Fehlverhalten des Geschäftsführers benannt werden, ehe geregelt wird, ob insofern gegen den Geschäftsführer überhaupt vorgegangen werden soll und – wenn ja – wie, d.h. welche Maßnahmen gegen ihn eingeleitet werden sollen. Entbehrlich kann die Beschlussfassung in Ausnahmefällen sein; insbesondere in einer GmbH mit nur einem Gesellschafter ist sie nicht notwendig, wenn sich der Wille des Alleingesellschafters zur Geltendmachung der Ersatzansprüche auf andere Weise zeigt. Auch in einer Zwei-Personen-GmbH kann das Beschlusserfordernis entfallen, wenn einer der Gesellschafter(-Geschäftsführer) selbst betroffen ist und daher einem Stimmverbot unterliegt. Abgesehen davon ist es auch möglich, das Beschlusserfordernis in der Satzung abzubedingen.

Die Kompetenz für die Entscheidung über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen bleibt bei der Gesellschafterversammlung, solange nicht etwas anderes geregelt wird. Wie das OLG Naumburg betont hat, gilt dies auch, wenn ein Aufsichtsrat gebildet wurde; die Beschlusskompetenz geht nicht automatisch auf diesen über. Es steht den Gesellschaftern allerdings frei, durch entsprechende Satzungsregelungen die Beschlusskompetenz auf ein anderes Gremium (z.B. einen Aufsichtsrat, einen Beirat oder einen Gesellschafterausschuss) zu übertragen.

Wenn der Gesellschafterbeschluss nicht ausnahmsweise entbehrlich ist, sind Klagen der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer unbegründet, solange der Beschluss fehlt. Die Gesellschaft kann also schon allein aus diesem Grund das Verfahren verlieren. Der Beschluss sollte daher bestenfalls vor Klageerhebung vorliegen oder – wie im Fall des OLG Naumburg – im laufenden Verfahren und in der Berufungsinstanz nachgeholt werden.

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