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Die Rückbeziehung der Legitimationswirkung der GmbH-Gesellschafterliste

Eigentlich gilt im Verhältnis zu einer GmbH nur als Gesellschafter, wer in die beim Handelsregister hinterlegte, elektronische Gesellschafterliste aufgenommen ist (sog. Legitimationswirkung der Gesellschafterliste). Eine Besonderheit gibt es: Wenn ein neuer Gesellschafter an Entscheidungen mitwirkt und die neue Gesellschafterliste unverzüglich darauf im Handelsregister hinterlegt wird, wirkt die Legitimationswirkung auf den Zeitpunkt der Rechtshandlung zurück. Das OLG München hat daran mit Urteil vom 30.03.2022 erinnert und zu Einzelheiten Stellung genommen.

Sachverhalt

Dem Fall des OLG München lag der Streit um die Gesellschafterstellung des Klägers zugrunde. Der Kläger stand unter rechtlicher Betreuung. Er hatte bereits 2009 von seinen Eltern Geschäftsanteile an einer GmbH erhalten. Eine neue Gesellschafterliste, in der er erstmals als Gesellschafter ausgewiesen wurde, wurde jedoch erst 2020 im elektronischen Handelsregister hinterlegt. Außer dem Kläger war nur sein Halbbruder als Gesellschafter an der GmbH beteiligt.

Noch vor Hinterlegung der neuen Gesellschafterliste hatte der Vater des Klägers, der damals zu seinem Betreuer bestellt war, mit notariellem Vertrag die Geschäftsanteile des Klägers an die Ehefrau seines anderen Sohnes verkauft und abgetreten. Die Gesellschafterversammlung, in der der Vater ebenfalls für den Kläger auftrat und im Übrigen dessen Halbbruder handelte, stimmte der Übertragung zu. Kurz darauf wurde eine entsprechend geänderte Gesellschafterliste im Handelsregister hinterlegt, in der anstelle des Klägers die Ehefrau seines Halbbruders eingetragen war.

Der Kläger erhob gegen den Beschluss Klage vor dem Landgericht München und beantragte die Hinterlegung einer weiteren Gesellschafterliste, in der wieder er eingetragen sein sollte. Er sei weiterhin Gesellschafter. Als Begründung führte der Kläger an, dass der Gesellschafterbeschluss u.a. deshalb unwirksam sei, weil die im Handelsregister hinterlegte Gesellschafterliste bei der Beschlussfassung nicht ihn, sondern seine Eltern auswies; diese hätten aber der Abtretung der Anteile nicht zugestimmt.

Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht, gab dem Kläger in der Sache aus betreuungsrechtlichen Gründen aber dennoch Recht. Hiergegen legte die Gesellschaft Berufung ein.

Das Urteil des OLG München vom 30.03.2022 (Az. 7 U 5926/21)

Die Berufung blieb erfolglos. Das OLG München bestätigte die Rechtsauffassung des Landgerichts. Dabei stellte es insbesondere klar: Die Zeitspanne zwischen dem materiell-rechtlichen Erwerb der Stellung als Gesellschafter und Hinterlegung der Gesellschafterliste spielt – selbst, wenn es sich um ein Jahrzehnt handelt – für die Wirksamkeit der Rechtshandlung (hier: die Zustimmung zur Anteilsabtretung) des neuen Gesellschafters keine Rolle. Entscheidend für die Wirksamkeit der Rechtshandlung sei einzig, dass die neue Gesellschafterliste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung im Handelsregister hinterlegt werde. Das sei vorliegend der Fall gewesen. Auch das OLG München ging aber ebenfalls davon aus, dass der Vater betreuungsrechtlich seinen Sohn bei der Beschlussfassung nicht habe vertreten können – im Ergebnis wies das Gericht die Berufung deswegen ab.

Praxishinweis

Wer im Verhältnis zur Gesellschaft als Gesellschafter gilt und damit zur Ausübung von Gesellschafterrechten befugt ist, wird durch die beim Handelsregister hinterlegte Gesellschafterliste bestimmt (§ 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG). Das gilt auch, wenn die Gesellschafterliste inhaltlich unrichtig ist. Auch ein ausgeschiedener Gesellschafter kann damit als Gesellschafter gelten, soweit er noch in der im Handelsregister hinterlegten Gesellschafterliste auftaucht.

Es gibt eine Ausnahme: Ein neuer Gesellschafter kann auch ohne Eintragung in die Gesellschafterliste wirksam handeln (z.B. sich an einer Beschlussfassung beteiligen), wenn unverzüglich nach der Rechtshandlung die geänderte Gesellschafterliste in das Handelsregister aufgenommen wird (§ 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG). So bleibt die Gesellschaft handlungsfähig. Beispielsweise kann auf diese Weise der Erwerber eines Geschäftsanteils direkt an Satzungsänderungen oder bei der Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern mitwirken, ohne erst die Hinterlegung der Gesellschafterliste abwarten zu müssen.

Voraussetzung ist die unverzügliche Aufnahme der Gesellschafterliste nach der Rechtshandlung. „Unverzüglichkeit“ meint dabei: „Ohne schuldhaftes Zögern“ desjenigen, der für die Einreichung der geänderten Gesellschafterliste verantwortlich ist (Geschäftsführer oder Notar). Verzögerungen aus der Sphäre des Registergerichts sind also nicht zu berücksichtigen. In der Regel ist es unschädlich, wenn zwischen der Rechtshandlung und der Einreichung der neuen Gesellschafterliste eine Zeitspanne von zwei Wochen liegt. Dauert die Einreichung länger, fehlt im Regelfall die Unverzüglichkeit. Wie viel Zeit zwischen dem Erwerb des Geschäftsanteils und der Hinterlegung der neuen Gesellschafterliste vergeht, ist – so das OLG München – egal.

Die Rückbeziehung der Legitimationswirkung der Gesellschafterliste ist daher praktisch und schafft Handlungssicherheit. In der Praxis empfiehlt es sich trotzdem, noch weiter auf „Nummer sicher“ zu gehen; jedenfalls bei Anteilsübertragungen unter Lebenden ist das gut möglich. Bestenfalls sollten Beschlüsse vom alten und neuen Gesellschafter gemeinsam gefasst oder dem Erwerber eine Vollmacht zur Ausübung der Gesellschafterrechte erteilt werden. Dann sind die Entscheidungen auch sofort und nicht erst rückwirkend mit Hinterlegung der Gesellschafterliste wirksam.

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