tina bieniek gesellschaftsrecht p.jpgrobert dylan grasshoff gesellschaftsrecht webp.jpg

Besonderer Vertreter der GmbH bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen

Zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den Geschäftsführer einer GmbH oder eine von ihm beherrschte Gesellschaft kann ein sog. besonderer Vertreter bestellt werden.

Zum Hintergrund: Bestellung eines besonderen Vertreters für Gerichtsprozesse

Der vom BGH entschiedene Fall befasst sich mit der Möglichkeit zur Bestellung eines besonderen Vertreters. Ein solcher kann (und muss gegebenenfalls) für Klageverfahren gegen Geschäftsführer und mit ihnen verbundene Unternehmen bestellt werden.

In Gerichtsprozessen wird die GmbH normalerweise von ihren Geschäftsführern vertreten. Sie mandatieren Rechtsanwälte im Namen der GmbH und unterzeichnen die Prozessvollmacht. Bei gerichtlichen Verfahren der GmbH gegen ihren Geschäftsführer (z.B. für die Geltendmachung von Haftungsansprüchen nach § 43 GmbHG durch die GmbH oder Klagen des Geschäftsführers gegen seine Abberufung) stößt dieser Grundsatz allerdings an Grenzen. Wenn der Geschäftsführer auf Kläger- und Beklagtenseite eingebunden ist, kann es zu Interessenkonflikten kommen. Um diese auszuschließen, kann die Gesellschafterversammlung einen besonderen Vertreter bestellen, der im Gerichtsverfahren die Vertretung der GmbH übernimmt. Mit einem solchen Fall befasste sich nun der BGH.

Zum Sachverhalt

Eine GmbH hatte Anteile an einer Tochtergesellschaft verkauft. Mit der Käuferin der Anteile kam es später zum Streit vor Gericht. Das Gerichtsverfahren finanzierte die GmbH nicht selbst, sondern sie schloss einen Prozessfinanzierungsvertrag mit einer weiteren Gesellschaft. Der Geschäftsführer der GmbH war zugleich alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer dieser den Prozess finanzierenden Gesellschaft.

Ab 2015 stritten die GmbH und die den Prozess finanzierende Gesellschaft über die Wirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrags. Die GmbH klagte nun gegen die den Prozess finanzierende Gesellschaft auf Feststellung, dass der Prozessfinanzierungsvertrag nie wirksam zustande gekommen war. Die GmbH wurde in diesem Klageverfahren nicht durch ihre Geschäftsführer vertreten, sondern sie hatte zur Klageerhebung einen Rechtsanwalt als besonderen (organschaftlichen) Vertreter der Gesellschaft ermächtigt.

Erstinstanzlich wurde die Klage abgewiesen. Auch die Berufung hatte keinen Erfolg, sodass sich die GmbH mit ihrer Revision an den Bundesgerichtshof wandte.

Das Urteil des BGH vom 30.11.2021 (Az. II ZR 8/21)

Die Revision hatte Erfolg. Das Berufungsgericht war noch der Ansicht, dass die Klage unzulässig sei, da die GmbH im Prozess nur von einem Geschäftsführer vertreten werden könne. Der besondere Vertreter, der von der GmbH zur Klageerhebung ermächtigt worden war, besitze hingegen nicht die erforderliche gesetzliche Vertretungsbefugnis. Die GmbH sei daher nicht prozessfähig. Diese Ansicht teilte der BGH nicht. Die Vertretung der Gesellschaft durch einen besonderen Vertreter sei gerade in Fällen wie dem vorliegenden angezeigt. Das gelte auch, wenn nicht der Geschäftsführer selbst, sondern „nur“ eine von ihm mittelbar beherrschte Gesellschaft in Anspruch genommen werde. Das Vorhandensein weiterer Geschäftsführer hindere die Gesellschafterversammlung ebenfalls nicht, einen besonderen Vertreter zu bestellen.

Praxishinweis

Der BGH hat zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass es im Gerichtsverfahren zu Interessenkonflikten nicht nur dann kommen kann, wenn der Geschäftsführer persönlich auf der Kläger- und Beklagtenseite steht. Vielmehr besteht diese Gefahr auch, wenn sich eine Klage gegen eine von dem Geschäftsführer (mittelbar) beherrschte Gesellschaft richtet. Es sollte daher jede Prozesskonstellation vermieden werden, in der der Geschäftsführer – direkt oder mittelbar – auf beiden Seiten des Prozesses agiert.

Die GmbH muss in solchen Fällen durch andere Personen vertreten werden. Das können zum einen die übrigen, selbst von der Streitigkeit nicht betroffenen Geschäftsführer der GmbH sein. Solche gibt es aber nicht immer und selbst, wenn es andere Geschäftsführer gibt, fehlt es ihnen manchmal an der erforderlichen Unvoreingenommenheit (z.B. wegen einer besonderen Verbundenheit zum Mitgeschäftsführer).

In solchen Situationen hilft die Bestellung eines besonderen Vertreters, der die GmbH im Gerichtsverfahren vertritt (§ 46 Nr. 8 Alt. 2 GmbHG). Der besondere Vertreter wird durch die Gesellschafterversammlung bestellt. Er kann, muss aber nicht Gesellschafter sein. Es kann sogar der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt selbst als besonderer Vertreter bestellt werden (er hat dann eine Doppelrolle als Prozessanwalt und organschaftlicher Vertreter der GmbH).

Kontakt > mehr