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Geschäftsführerpflichten bei der internen Unternehmensorganisation

Geschäftsführer dürfen gewisse Risiken eingehen. Insbesondere wirtschaftliche Zweckmäßigkeiten unterliegen nicht der gerichtlichen Kontrolle. Die Sorgfaltspflicht des Geschäftsführers verlangt aber das Vier-Augen-Prinzip, wenn die Tätigkeit des Unternehmens eine Schadensneigung aufweist.

Sachverhalt

Folgender Sachverhalt liegt dem Urteil des OLG Nürnberg zugrunde: Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. Sie gab an ihre Kunden Kredite in Form von Tankkarten aus. Diese begrenzte sie durch Tanklimits. Allerdings überprüfte sie deren Einhaltung nicht, was zu Forderungsausfällen führte. Der beklagte Geschäftsführer nahm sechs Jahre nach diesen Vorfällen an einer Fortbildung teil. Gegenstand dieser war die Kreditgewährung an Kunden und das hierbei einzuhaltende Vier-Augen-Prinzip. Er setzte diese Maßnahme aber nicht um. Wenig später manipulierte ein Mitarbeiter Abrechnungen: Gewisse Kunden, die dieser Mitarbeiter geworben hatte, steckten in wirtschaftlichen Notlagen. Der Mitarbeiter rechnete daher Tankvorgänge „seiner“ Kunden über andere Kunden ab. Obwohl für diese Vorgänge nicht zuständig, hatte der Mitarbeiter umfassenden Zugriff. Er konnte die Abrechnung so manipulieren, dass auch Beschwerden nur an ihn gelangten. Der Geschäftsführer zog die Sperrung der Tankkarten in Betracht, als die Kreditrahmen der Kunden fast ausgeschöpft waren. Stattdessen machte der Mitarbeiter aber den Vorschlag, selbst bei dem finanzschwachen Kunden als Prokurist zu arbeiten. Der Geschäftsführer stimmte zu. Letztlich erlangte die Klägerin von den tatsächlichen Umständen und den „Umbuchungen“ des Mitarbeiters Kenntnis. Sie forderte deswegen Schadensersatz vom beklagten Geschäftsführer.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Der Beklagte legte Berufung ein.

Das Urteil des OLG Nürnberg vom 30.03.2022, Az. 12 U 152019

Die Berufung war erfolglos. Die Haftung des Geschäftsführers wurde vom OLG bestätigt. Der Geschäftsführer habe seine Sorgfaltspflichten verletzt. Der Umfang der einzuhaltenden Sorgfaltspflichten richte sich nach der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes. Dabei bestehe ein weitreichender Beurteilungsspielraum. Insbesondere wirtschaftliche Zweckmäßigkeiten seien nicht Teil der gerichtlichen Kontrolle und geschäftliche Risiken dürften in einem gewissen Rahmen auch eingegangen werden. Allerdings sei der Spielraum überschritten, wenn das Schadensrisiko eindeutig sei und keine vernünftigen Gründe dafürsprächen, es einzugehen. Wenn bei einer nicht ordnungsgemäßen Durchführung Personenschäden oder erhebliche finanzielle Auswirkungen entstehen können, liegt ein solches eindeutiges Schadensrisiko vor. In diesem Fall ist die Einführung des Vier-Augen-Prinzips notwendig. Da der Beklagte Geschäftsführer das Vier-Augen-Prinzip trotz Schulung und Schadensfällen in der Vergangenheit nicht einführte, habe er seine Sorgfaltspflichten verletzt.

Anmerkung

Das Urteil gibt Aufschluss über die Sorgfaltspflichten, die Geschäftsführer bei der internen Organisation beachten müssen. Wesentliche Pflicht eines Geschäftsführers ist es, eine Organisationsstruktur zu etablieren, die das rechtmäßige Handeln der Mitarbeiter sicherstellt. Vor allem Compliance-Maßnahmen zur Überwachung und Kontrolle sind Gegenstand einer solchen Struktur. Wie solche Instrumente ausgestaltet werden, ist Teil des Ermessens der Geschäftsführung.

Das OLG Nürnberg legt dar, dass bei schadensgeneigten Geschäftsfeldern das Vier-Augen-Prinzip gilt. Schadensgeneigte Tätigkeiten liegen dann vor, wenn Personenschäden oder große finanzielle Schäden möglich sind. Indem das Gericht ein konkretes Instrument vorgibt, schafft es Rechtssicherheit. Eine genaue Prüfung der eigenen Organisation empfiehlt sich vor allem dann, wenn dem Geschäftsführer eine Schadensanfälligkeit aufgrund eigener Erfahrungen und einschlägiger Schulungen bekannt ist.

Der Einwand des Geschäftsführers, die Einhaltung des Vier-Augen-Prinzip wäre schon aufgrund des Personalmangels nicht möglich gewesen, war für das Gericht im Übrigen nicht erheblich. Wenn eine Delegation von Überwachungspflichten ausscheidet, muss die Geschäftsführung die notwendigen Überwachungsmaßnahmen selbst durchführen. Kann sie sie delegieren, muss sie die Aufsichtspersonen sorgfältig auswählen und überwachen.

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