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Easyjet – Kündigungen der zweiten Kündigungswelle durch Easyjet wegen Stationierung von weniger Flugzeugen am Flughafen Berlin unwirksam

Die Fluggesellschaft Easyjet hat während der Corona-Pandemie in zwei Wellen mehrere Hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg urteilte schon, dass die Kündigungen der ersten Welle wirksam sind. Jetzt hat das LAG Berlin-Brandenburg allerdings entschieden, dass die Kündigungen der zweiten Welle von Mai/Juni 2021 hingegen unwirksam sind, weil hierfür keine betriebsbedingten Gründe feststellbar gewesen seien (Az.: 5 Sa 1584/21 und 9 Sa 1637/21).

Sachverhalt

Dem Urteil des LAG Berlin-Brandenburg liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Fluggesellschaft Easyjet hat in einem Interessenausgleich mit der Personalvertretung vereinbart, im Zuge der Herausnahme/Verlegung von 16 der zuvor 34 Flugzeuge aus der Easyjet Base BER ab Dezember 2020, zunächst 418 Arbeitsplätze abzubauen und im Mai/Juni 2021 auf der Basis der Nachfrage und wirtschaftlichen Entwicklung der Fluggesellschaft über einen Abbau von weiteren bis zu 320 Arbeitsplätzen zu entscheiden. Im Folgenden wurden im November 2020 im Zuge einer ersten Kündigungswelle und im Juni 2021 im Zuge einer zweiten Kündigungswelle betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen. Bei der Fluggesellschaft war in der Zeit von April 2020 bis Juni 2021 Kurzarbeit angeordnet.

Das LAG entschied bereits zuvor, dass Kündigungen der ersten Welle wirksam sind, weil sie durch betriebsbedingte Gründe gerechtfertigt seien. Aufgrund der unternehmerischen Entscheidung zur Reduzierung der am BER stationierten Flugzeuge sei von einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfes auszugehen. Zwar sei die angeordnete Kurzarbeit ein Indiz für einen nur vorübergehenden Arbeitsmangel. Grund für die Kündigungen sei aber die von Juni 2020 an geplante Reduzierung des Flugzeugkontingents gewesen.

Hingegen hat das LAG Berlin Brandenburg nunmehr entschieden, dass die Kündigungen der zweiten Welle unwirksam sind, weil es für sie keine betriebsbedingten Gründe gab. Nach Vortrag der Fluggesellschaft habe mit der unternehmerischen Entscheidung im Oktober 2020 nur der Abbau von 418 Positionen festgestanden. Entsprechend hätten sich die zunächst nicht gekündigten Beschäftigten auch weiterhin in Kurzarbeit befunden. Da Kurzarbeit und der Bezug von Kurzarbeitergeld einen vorübergehenden Arbeitsmangel voraussetze, spreche dies für die Annahme eines nur vorübergehenden Arbeitsmangels hinsichtlich des verbleibenden Personals. Eine behauptete weitere, nicht schriftlich abgefasste unternehmerische Entscheidung bleibe vage, ein dauerhafter Wegfall von Arbeitsplätzen lasse sich auf dieser Grundlage nicht feststellen, so das LAG.

Allein die Reduzierung der Zahl zugeordneter Flugzeuge könne die Kündigungen nicht rechtfertigen. Zudem könne allein die Reduzierung der Zahl der dem BER zugeordneten Flugzeuge die Kündigung auch deshalb nicht rechtfertigen, weil es um einen Abbau von mehr Arbeitsplätzen gehe, als dies rechnerisch der Reduzierung der Flugzeuge entspreche. Die damit vorliegende Entscheidung, künftig mit weniger Personal arbeiten zu wollen, sei vom Kündigungsentschluss nicht zu entscheiden und müsse nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit näher erläutert werden. Dies sei hier nicht hinreichend geschehen. Auch kurze Zeit später getroffene Regelungen zu zusätzlichen Einsätzen des verbleibenden Personals über die reguläre Arbeitszeit hinaus sprächen gegen einen dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs. Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung kam es auf die Folgen eines Verstoßes gegen § 17 Absatz 3 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz nicht an.

Hinweise für die Praxis

Möchte ein Arbeitgeber Mitarbeiter in mehreren Kündigungswellen kündigen, muss für jede dieser Kündigungswellen eine gesonderte unternehmerische Entscheidung vorliegen, die dann auch im Hinblick auf ihre organisatorische Durchführbarkeit und ihrer zeitlichen Nachhaltigkeit entsprechend der Regelungen zur Darlegungs- und Beweislast gegebenenfalls im Kündigungsschutzverfahren je einzeln erläutert werden muss. Für den Arbeitgeber, der möglicherweise einen Teil der Mitarbeiter vor der Kündigung schützen wollte, sind die Anforderungen zwar konsequent, aber entsprechend hoch.

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