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Befristetes Arbeitsverhältnis zur Krankheitsvertretung – Prognose hinsichtlich Rückkehr des Arbeitnehmers

Das Arbeitsgericht Erfurt hat mit Urteil vom 17.05.2022 (6 Ca 1834/21) entschieden, dass der Sachgrund der Krankheitsvertretung gegeben ist, wenn der Arbeitgeber bei Abschluss des Vertrages davon ausgehen durfte, dass der vertretene Mitarbeiter an seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird. Nur dann, wenn er anderweitige Kenntnis oder erhebliche Zweifel an der Rückkehr hat, kann die Befristung des Arbeitsvertrages sachlich nicht gerechtfertigt sein.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit eines befristeten Arbeitsvertrages und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitsvertrag der Klägerin sieht vor, dass die Klägerin als teilzeitbeschäftigte Erzieherin wegen des Vorliegens eines sachlichen Grundes als Vertretungskraft für eine sich im Krankenstand befindende Kollegin eingestellt wird. Infolge der Bekanntgabe ihrer Schwangerschaft wurde die Klägerin nach einer Gefährdungsbeurteilung ab Anfang August 2021 freigestellt. Im Oktober 2021 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die durch sie vertretene Kollegin am 25.10.2021 ihre Arbeit wieder aufnehmen werde, die auflösende Bedingung des befristeten Arbeitsverhältnisses damit eintrete und zwei Wochen nach Zugang des Schreibens das Arbeitsverhältnis ende. Das Schreiben ging der Klägerin am 23.10.2021 zu. Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses sollte zum 06.11.2021 eintreten. Die Klägerin hat darauf verwiesen, dass bereits in einem Telefonat zur Einladung zum Vorstellungsgespräch im Juni 2021 von einer Mitarbeiterin der Beklagten mitgeteilt worden sei, dass die zu vertretende Kollegin an einer Krebserkrankung leide und vermutlich ihre Tätigkeit nicht mehr aufnehmen werde. Dies sei auch der Grund für die Einstellung der Klägerin gewesen. Die Beklagte habe eine unbefristete Einstellung geplant. Man sei insofern bereits bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages davon ausgegangen, dass eine Rückkehr der Kollegin aus der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr abzusehen war. Dies stünde dem vereinbarten Befristungsgrund entgegen und führe gem. § 16 TzBfG zum Bestand eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Die durch die Klägerin vertretene Mitarbeiterin war bereits seit August 2020 arbeitsunfähig erkrankt. Der somit schon seit längerer Zeit bestehende Personalbedarf sollte mit der befristeten Einstellung der Klägerin ausgeglichen werden. Die letzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Klägerin wies einen Zeitraum bis zum 22.10.2021 aus. Ab dem 23.10.2021 bezog die vertretene Kollegin wieder Arbeitsentgelt. Ab dem 25.10.2021 nahm sie Urlaub in Anspruch und kündigte schließlich ihr Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 08.11.2021 zum 30.11.2021 wegen Renteneintritts. Die Klägerin ist der Ansicht, dass hinsichtlich der zeitlichen Abläufe „Absprachen“ zwischen der Beklagten und der vertretenen Kollegin gegeben habe. Insbesondere sei die Inanspruchnahme des Resturlaubs und der Ausspruch der Eigenkündigung durch die Kollegin initiiert. Die Beklagte hingegen ist der Auffassung, dass bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages von einer Rückkehr der erkrankten Mitarbeiterin ausgegangen worden sei. Auch die zuvor bestehende längerfristige Erkrankung habe dieser Prognose nicht entgegengestanden. Das Arbeitsverhältnis sei samt Inanspruchnahme des Resturlaubes nach der Eigenkündigung lediglich noch ordentlich abgewickelt worden. Absprachen habe es nicht gegeben.

Entscheidungsgründe

Die Klage wurde abgewiesen. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts Erfurt habe das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wegen des Wegfalls des Sachgrundes am 06.11.2021 durch die Befristung geendet. Die Befristung sei aufgrund Vertretung eines anderen Arbeitnehmers rechtmäßig und ordnungsgemäß vereinbart worden. Das Arbeitsgericht Erfurt stützt sich in seiner Begründung hierbei maßgeblich auf zwei Entscheidungen des BAG. So habe dieses mehrfach entschieden, dass die „Arbeitsunfähigkeits-Vertretung" rechtlich möglich und nur in Ausnahmefällen rechtsunwirksam sei. Dies ergebe sich insbesondere aus den Entscheidungen des BAG vom 21.02.2001 – 7 AZR 200/00 und vom 23.01.2002 – 7 AZR 440/00. So habe das BAG ausgeführt, dass die Einstellung eines Arbeitnehmers zur Vertretung eines zeitweilig ausfallenden Arbeitnehmers ein sachlicher Grund für die Befristung des Arbeitsvertrages mit der Vertretungskraft sei und nur dann, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, der Arbeitgeber in Fällen der Krankheitsvertretung davon ausgehen könne, dass die zu vertretende Stammkraft zurückkehren werde. Der Sachgrund der Krankheitsvertretung sei nach der Rechtsprechung des BAG dann gegeben, wenn der Arbeitgeber bei Abschluss des Vertrages davon ausgehen durfte, dass der vertretene Mitarbeiter an seinen Arbeitsplatz zurückkehren werde. Hierbei könne der Arbeitgeber regelmäßig, auch bei wiederholten Befristungen nach verlängerter Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit, von der Rückkehr des Erkrankten ausgehen. Nur dann, wenn der Arbeitgeber wisse, dass der Vertretene nicht auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren werde oder er aufgrund besonderer Umstände daran erhebliche Zweifel habe, könne die Befristung des Arbeitsvertrages sachlich nicht gerechtfertigt sein. So liege der vorliegende Fall. Bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages sei seitens der Beklagten keine Kenntnis dahingehend vorgelegen, dass die zu vertretende Mitarbeiterin an den Arbeitsplatz zurückkehren werde. Anderweitige Zusagen an die Klägerin habe es ebenfalls nicht gegeben. Ein Zusammenwirken der Beklagten mit der vertretenen Kollegin sei nur eine Vermutung der Klägerin und ändere, selbst wenn eine solche vorgelegen habe, nichts an dem festgestellten Ergebnis. Dies sei nur eine Vermutung. Zwangsläufig hätten ohnehin für die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses Gespräche zwischen den Verantwortlichen der Beklagten und der ausscheidenden Kollegin stattfinden müssen.

Hinweise für die Praxis

Im Rahmen der Befristung von Arbeitsverhältnissen mit Zweckbefristung ist höchste Sorgfalt geboten. Das Arbeitsgericht Erfurt hebt jedoch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BAG zurecht hervor, dass im Rahmen von Zweckbefristungen für deren Wirksamkeit allein der Zeitpunkt der Verabredung entscheidend ist. Nicht relevant wäre insofern auch, ob im Zeitpunkt des Ablaufs des befristeten Vertrags eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht (vgl. so BAG 19.02.2014 – 7 AZR 260/12).

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