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Unmöglichkeitseinwand bei Zwangsvollstreckung der Weiterbeschäftigung

Das LAG Hamm hat mit Beschluss vom 06.12.2021 (Az.: 12 Ta 378/21) entschieden, dass der Einwand des Schuldners im Zwangsvollstreckungsverfahren, wonach die Beschäftigung ihm unmöglich geworden sei, weil er nach Urteilserlass eine Organisationsentscheidung getroffen habe, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes geführt habe, nur dann Berücksichtigung finden könne, wenn diese unstreitig oder offenkundig ist.

Sachverhalt

Dem Beschluss des LAG Hamm liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Parteien streiten im Zwangsvollstreckungsverfahren über die Verpflichtung der Arbeitgeberin als Schuldnerin zur ordnungsgemäßen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers als Gläubiger.

Dem ist ein Kündigungsschutzprozess vorausgegangen, in welchem das Arbeitsgericht die Schuldnerin verurteilt hat, den Gläubiger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens als HR-Director Deutschland weiter zu beschäftigen. Gegen diese Entscheidung hat die Schuldnerin Berufung eingelegt (Az.: 15 Sa 1370/21), über die noch nicht entschieden ist.  

Im Zwangsvollstreckungsverfahren hat die Schuldnerin eingewandt, dass ihr die Beschäftigung des Gläubigers unmöglich geworden sei, da die Stelle des HR-Director Deutschland ersatzlos entfallen sei. Die deutschlandweit übergeordnete Kombination der Personalleitungen sei von der Konzernzentrale in E an sich gezogen worden. Gleiches gelte für die Aufgaben des Gläubigers im Hinblick auf die Restrukturierung der Werke. Die übrigen Tätigkeiten seien den alltäglichen Personalleitern übertragen worden.

Das Arbeitsgericht hat den Zwangsvollstreckungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass sich die Schuldnerin zu Recht auf den Einwand der Unmöglichkeit berufen habe. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers vor dem LAG Hamm hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe

Nach Ansicht des LAG sei grundsätzlich auch der Einwand der Unmöglichkeit im Zwangsvollstreckungsverfahren berücksichtigungsfähig, soweit die zugrunde liegenden Tatsachen nach Urteilerlass entstanden sind. Dies liege auf der Hand, da niemand zu etwas gezwungen werden könne, was nicht in seiner Macht stehe. Dies könne aber letztlich nur gelten, wenn die Unmöglichkeitsgründe im Vollstreckungsverfahren unstreitig oder offenkundig seien.

Vorliegend könne sich die Schuldnerin aber nicht auf die Unmöglichkeit der tenorierten vorläufigen Weiterbeschäftigung berufen.

Die Schuldnerin behaupte zwar, nach Urteilserlass in Abstimmung mit der Konzernmutter die Entscheidung getroffen zu haben, einen HR-Director Deutschland zukünftig nicht mehr zu beschäftigen und deswegen die Vertretungsgremien informiert und das Verfahren nach § 170 SGB IX eingeleitet zu haben, jedoch habe der Gläubiger die unternehmerische Entscheidung ausdrücklich in Abrede gestellt und in einer solchen eine Umgehung der Zwangsvollstreckung gesehen.

Alleine aus dem Umstand der Verfahrenseinleitung zu einer weiteren Kündigung könne auch nicht der Schluss gezogen werden, dass die unternehmerische Entscheidung zur Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung führe. Dabei bleibe schon außer Acht, dass den Arbeitgeber eine gesteigerte Darlegungslast trifft, wenn die Organisationsentscheidung und die Streichung der Stelle praktisch deckungsgleich sind und schon zweifelhaft ist, ob der Vortrag der Schuldnerin diesen Anforderungen gerecht wird. Jedenfalls sei die unternehmerische Entscheidung damit nicht offenkundig, sondern müsse als streitiges Vorbringen im Verfahren nach § 888 ZPO unberücksichtigt bleiben. Deswegen sei die Schuldnerin auf den Weg der Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO bzw. der Berufung zu verweisen.

Hinweise für die Praxis

Arbeitgeber, die gegen eine zwangsweise Weiterbeschäftigung vorgehen, können sich nicht nur auf formelle Einwendungen berufen, z.B. wegen einer Unbestimmtheit des Titels, sondern auch materielle Einwände erheben. Daher ist der Einwand, die Beschäftigung sei unmöglich geworden, grundsätzlich auch im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO zu berücksichtigen (BAG, Beschluss vom 05.02.2020 – 10 AZB 31/19). Die Unmöglichkeitsgründe im Vollstreckungsverfahren müssen jedoch unstreitig oder offenkundig sein, da im Vollstreckungsverfahren nur eingeschränkte Erkenntnis- und Beweismöglichkeiten bestehen. Erfolg kann daher ein Unmöglichkeitseinwand haben, wenn unstreitig eine Betriebs- oder Betriebsteilschließung vorliegt, bei der der räumliche Bezugspunkt einer Beschäftigungsmöglichkeit weggefallen ist (LAG Hessen, Beschluss vom 06.07.2016 – 10 Ta 266/16). Ansonsten sind materielle Einwendungen im Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO oder im Wege der Berufung zu berücksichtigen, wo ein solcher Einwand auch tatsächlich geklärt werden kann. 

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