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Rückzahlung von Ausbildungskosten durch den Arbeitnehmer

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 01.03.2022 – Az. 9 AZR 260/21 – entschieden, dass. Rückzahlungsklauseln, durch die ein Arbeitnehmer im Falle einer selbst veranlassten vorzeitigen Beendigung seines Arbeitsverhältnisses an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung beteiligt wird, grundsätzlich zulässig sind Die Rückzahlungsverpflichtung darf allerdings nicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist geknüpft werden; sie muss Fälle ausklammern, in denen der Arbeitgeber kein berechtigtes Interesse an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses hat.

Sachverhalt

Dem Urteil des BAG liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin betreibt eine Klinik, in der die beklagte Arbeitnehmerin vom 01.06.2017 bis zum 31.01.2020 als Altenpflegerin beschäftigt war.

Unter dem 10.02.2019 schlossen die Parteien einen Fortbildungsvertrag über die Teilnahme der Beklagten an einer Fortbildung. Die Klägerin verpflichtete sich in § 2 des Fortbildungsvertrags zur Übernahme von Kosten der Fortbildung. Der Fortbildungsvertrag enthält ferner folgende Klausel:

„§ 3 Bindungsfrist und Rückzahlungsfrist

(1) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Fortbildung für mindestens 6 Monate fortzusetzen.

(2) Scheidet der Arbeitnehmer aufgrund einer eigenen ordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden oder einer eigenen außerordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden Kündigung oder aufgrund einer vom Arbeitgeber erklärten verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung vor Ablauf der in Abs. 1 genannten Bindungsfrist aus den Diensten des Arbeitgebers aus, so hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die vom Arbeitgeber übernommenen Gesamtkosten an diesen zurückzuzahlen. Die Rückzahlungspflicht gilt auch im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen vom Arbeitnehmer veranlassten Aufhebungsvertrag.

Für je einen vollen Monat der Beschäftigung nach dem Ende der Fortbildung werden 1/6 des gesamten Rückzahlungsbetrages erlassen.

(3) Ebenso besteht die Rückzahlungspflicht, wenn der Arbeitnehmer die Fortbildung aus in seiner Sphäre liegenden und von ihm zu vertretenden Gründen vorzeitig abbricht.

…“

Vor dem erfolgreichen Abschluss der Fortbildung durch die Beklagte am 03.12.2019 hatte sie mit Schreiben vom 29.11.2019 das Arbeitsverhältnis zum 01.02.2020 gekündigt. Die Klägerin forderte daraufhin mit Schreiben vom 30.12.2019 die Beklagte zur Rückzahlung anteiliger Fortbildungskosten auf.

Mit ihrer Klage verfolgt die Arbeitgeberin die anteilige Rückzahlung von Fortbildungskosten gestützt auf § 3 des Fortbildungsvertrags. Die Klägerin blieb mit ihrem Begehren in allen Instanzen erfolglos.

Entscheidungsgründe

Das BAG bestätigte das vom LAG in der Berufungsinstanz gefundene Ergebnis, dass die Rückzahlungsklausel in dem Fortbildungsvertrag nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam sei.

Einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, seien zwar grundsätzlich zulässig. Sie benachteiligten den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen. Es sei jedoch nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Vielmehr müsse nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden. Zahlungsverpflichtungen des Arbeitnehmers, die an eine von diesem ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfen, könnten im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen. Da sie geeignet seien, das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG einzuschränken, müsse einerseits die Rückzahlungspflicht einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen und andererseits den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer ein angemessener Ausgleich gegenüberstehen. Letzteres sei der Fall, wenn der Arbeitnehmer mit der Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhält. Insgesamt müsse die Erstattungspflicht – auch dem Umfang nach – dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar sein. Ist dies nicht der Fall, verbleibe es dabei, dass Verluste, die eintreten, weil Investitionen in die Aus- und Weiterbildung des Arbeitnehmers nachträglich wertlos werden, grundsätzlich der Arbeitgeber als Betriebsausgaben zu tragen habe.

Die als Allgemeine Geschäftsbedingung zu qualifizierende Klausel des § 3 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 des Fortbildungsvertrags verstoße nach diesen Grundsätzen gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, denn sie knüpfe die Rückzahlungspflicht an sämtliche Eigenkündigungen des Arbeitnehmers, und damit auch an Fälle, in denen es dem Arbeitnehmer unverschuldet dauerhaft nicht möglich ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. In dieser Konstellation sei aber eine Bindung des Arbeitnehmers aufgrund einer Rückzahlungsverpflichtung von Fortbildungskosten weder durch billigenswerte Arbeitgeberinteressen noch durch gleichwertige Vorteile des Arbeitnehmers gerechtfertigt. Unerheblich sei dabei, ob im Einzelfall der Arbeitnehmer durch solche Gründe zur Eigenkündigung veranlasst wurde, da die AGB-Kontrolle bereits dann zur Unwirksamkeit der Klausel führe, wenn in zu beanstandender Weise ein Risiko geregelt wird, dass sich im Einzelfall nicht realisiert hat.

Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des BAG liegt auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung zur Wirksamkeit und den (engen) Grenzen von Rückzahlungsklauseln und überrascht daher nicht. Auf die Formulierung von Rückzahlungsvereinbarungen betreffend arbeitgeberfinanzierte Ausbildungskosten sollten Arbeitgeber große Sorgfalt verwenden, da die Unwirksamkeit regelmäßig nach § 306 Abs. 1 BGB zum ersatzlosen Wegfall der Rückzahlungsklausel unter Aufrechterhaltung der Weiterbildungsvereinbarung führt. Das Ergebnis einer unwirksamen Klausel ist daher regelmäßig, dass der Arbeitgeber zur Finanzierung und Ermöglichung der Fortbildung/Weiterbildung des Arbeitnehmers verpflichtet bleibt, ohne die gewünschte Bindungswirkung bzw. im Falle der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine (Teil-)Erstattung der aufgewendeten Kosten durchsetzen zu können.

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