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Mangelnde Leistungsbereitschaft bei verweigertem Corona-Test

Ist der anspruchstellende Arbeitnehmer auf der Grundlage einer eigenverantwortlichen Entscheidung nicht in der Lage, die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit vollumfänglich zu bewirken, so gerät der das unzureichende Arbeitsangebot ablehnende Arbeitgeber gem. § 297 BGB nicht in Verzug. Das hat das LAG Mecklenburg-Vorpommern mit Urteil vom 14.09.2022 – 3 Sa 46/22 entschieden.

Sachverhalt

Die Parteien streiten um Verzugslohnansprüche des Klägers für die Zeit von September 2021 bis Dezember 2021. Hintergrund der rechtlichen Auseinandersetzung ist die Weigerung des Klägers, der nicht über den Status „genesen“ bzw. „geimpft“ verfügt hat, sich täglich auf das Corona-Virus testen zu lassen.

Der Kläger ist bei der Beklagten, die mehrere Sanitätshäuser betreibt, im Außendienst in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern mit dem Inhalt der Kundenbetreuung inklusive der Lieferung und Anpassung von Hilfsmitteln tätig.

Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 27.08.2021 den Kläger auf die zu diesem Zeitpunkt bereits geltende „3-G-Regel“ für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen hingewiesen hat, teilte dieser mit Schreiben vom 06.09.2021 mit, dass er sich nicht testen lasse. Daraufhin stellte die Beklagte den Kläger aufgrund seiner Weigerung, sich testen zu lassen, „bis auf Weiteres“ von der Arbeit frei und teilte diesem mit Schreiben vom 09.09.2021 mit, dass er sich jederzeit kostenlos testen lassen und nach entsprechendem Nachweis sofort wieder zur Arbeit kommen könne.

Ferner übersandte die Beklagte mit Schreiben vom 16.09.2021 an den Kläger eine „Arbeitsanweisung“ unter dem Datum vom 15.09.2021, in der sie u. a. mitteilte, dass ab Montag, den 20.09.2021 alle ungeimpften „Mitarbeiter/innen“ mit Dienstbeginn verpflichtet seien, einen Antigen-Selbsttest durchzuführen. Der Kläger weigerte sich jedoch weiterhin, sich gegen das Corona-Virus testen zu lassen.

Die daraufhin vom Kläger geltend gemachten Verzugslohnansprüche hat das Arbeitsgericht abgewiesen.  Das LAG gab der Vorinstanz im Ergebnis Recht.

Entscheidungsgründe

Nach Ansicht des LAG habe der Kläger keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Zahlung von Verzugslohn ab dem 06.09.2021 gem. § 615 BGB i. V. m. § 293 ff. BGB.

Die Beklagte sei nach den Vorgaben des § 297 BGB nicht in Verzug geraten. Danach komme der Gläubiger (Arbeitgeber) dann nicht in Verzug, wenn der Schuldner (Arbeitnehmer) zur Zeit des Angebots außerstande ist, die vertraglich vereinbarte Leistung zu bewirken.

Der Kläger sei aufgrund der selbstverantwortlich getroffenen Entscheidung, sich nicht testen zu lassen, ab dem 06.09.2021 nicht in der Lage gewesen, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu bewirken. Dabei komme es – wie erstinstanzlich vertreten – nicht darauf an, ob die Beklagte am 14.09.2021 im Wege des Direktionsrechts ermessensfehlerfrei die tägliche Testung für nicht geimpfte bzw. genesene Mitarbeiter/innen vorgegeben habe. Denn die fehlende Voraussetzung einer vollumfänglichen Leistungsbewirkung i. S. d. § 297 BGB beruhe allein schon auf der Verweigerung des Klägers, einen „Corona-Test“ durchzuführen. Im Zeitpunkt der diesbezüglichen Entscheidung und Erklärung durch den Kläger gegenüber der Beklagten habe bereits für Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser die sogenannte „3-G-Regel“ bestanden, was dem Kläger nicht nur bekannt gewesen sei, sondern worauf die Beklagte den Kläger vor Aufnahme der Tätigkeit am 06.09.2021 mit Schreiben vom 27.08.2021 auch hingewiesen habe. Mithin lag ab dem 06.09.2021 kein ordnungsgemäßes und ausreichendes Leistungsangebot des Klägers gegenüber der Beklagten vor.

Hinweise für die Praxis

Das BAG hat bereits mit Urteil vom 01.06.2022 – 5 AZR 28/22 entschieden, dass wegen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers angemessene Corona-Schutzmaßnahmen wie eine Testpflicht am Arbeitsplatz vom Direktionsrecht gedeckt sind. Ist der Arbeitnehmer sodann nicht gewillt, solche vom Arbeitgeber wirksam angeordneten Schutzmaßnahmen einzuhalten, tritt mangels Leistungswille des Arbeitnehmers kein Annahmeverzug des Arbeitgebers ein.

Vorliegend bestand die Besonderheit, dass es nicht darauf ankam, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtsfehlerfrei i. S. v. § 106 GewO und nach § 315 BGB ermessensfehlerfrei angewiesen habe, regelmäßig einen Corona-Test durchzuführen. Denn zum Zeitpunkt der Verweigerung durch den Kläger, einen Corona-Test durchzuführen, bestand bereits die gesetzliche Testpflicht nach der 3-G-Regel.

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