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Keine Außerordentliche Kündigung wegen Mitgliedschaft bei den „Hammerskins“

Das LAG Hamm hat mit Urteil vom 06.12.2022 (Az. 17 Sa 139/22) entschieden, dass die außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung eines städtischen Mitarbeiters wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in einer neonazistischen Kaderorganisation unwirksam ist.

Sachverhalt

Dem Urteil des LAG Hamm liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Stadt Bochum kündigte im August 2021 das Arbeitsverhältnis eines seit 2005 beschäftigten technischen Sachbearbeiters im Garten- und Landschaftsbau außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich. Als Grund dafür benannte sie die mutmaßliche Mitgliedschaft des Mitarbeiters in der international agierenden Vereinigung „Hammerskins“, Division Deutschland, Chapter Westfalen, und eine dadurch bedingte Drucksituation aus der Belegschaft. Die Vereinigung wird als konspirative und rassistische, nach ihrem Gedankengut teils neonazistische Kaderorganisation mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung beschrieben und vom Verfassungsschutz beobachtet. Zu seiner Mitgliedschaft äußerte sich der Mitarbeiter, dessen Arbeitsverhältnis im Übrigen störungsfrei verlief, im Prozess nicht. Gegen das vorausgehende Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 1. Dezember 2021 (Az. 3 Ca 997/21) hatten beide Parteien Berufung eingelegt. Dieses hatte die Kündigungen zwar für unwirksam erklärt, das Arbeitsverhältnis jedoch auf Antrag der Stadt Bochum durch rechtsgestaltendes Auflösungsurteil zum 31. März 2022 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 30.000,00 Euro beendet.

Entscheidungsgründe

Der erstinstanzlichen Entscheidung schloss sich das LAG Hamm durch am Schluss der Sitzung verkündetes Urteil an. Das Gericht erklärte, eine bloße Mitgliedschaft des Mitarbeiters bei den Hammerskins sei mit Blick auf die konkreten Arbeitsaufgaben und mangels entsprechender Äußerungen im bzw. Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis nicht ausreichend. Auch die als weiterer Kündigungsgrund benannte Drucksituation, so die 17. Kammer, sei nach Grad und Ausprägung im Einzelfall noch nicht kündigungsrelevant. Allerdings sei dem Mitarbeiter vorzuhalten, dass sein bzw. das ihm zuzurechnende Verhalten im Prozess die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die beklagte Stadt unzumutbar mache. Dieser hatte der Stadt im Rahmen vorausgegangener Gespräche über die Möglichkeit einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung wiederholt vorgeworfen, mit den dort angedachten Vorschlägen über befristete Ausgleichszahlungen einen Betrug zu Lasten anderer öffentlicher Kassen angeregt zu haben – dies sachlich zu Unrecht und ohne erkennbaren Bezug zu einer zulässigen Verteidigung gegen die Kündigung. Eine dem Beschäftigungszweck dienliche Zusammenarbeit, so das LAG, sei danach nicht mehr zu erwarten.

Hinweis für die Praxis/Ausblick

Privates (Fehl-)Verhalten ist kein Kündigungsgrund. Dies gilt auch mit Blick auf eine etwaig bestehende politische Gesinnung. Eine Kündigung kann nur gerechtfertigt sein, wenn hierdurch die Arbeitstätigkeit beeinflusst wird, also wenn eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten und/oder eine Störung betrieblicher Abläufe vorliegt. Eine nur abstrakte Gefährdung oder außerhalb des Arbeitsverhältnisses liegende Geschehnisse reichen demgegenüber nicht aus. Auch der allgemeine Verweis der im Verfahren beklagten Stadt auf eine „Drucksituation“ aus der Belegschaft verfing nicht. Die Anforderungen der Rechtsprechung an eine wirksame Druckkündigung sind hoch. Das Urteil zeigt, dass weder die moralische noch die strafrechtliche Bewertung rein außerdienstlicher Vorkommnisse arbeitsrechtliche Relevanz haben.

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