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Höchstbetragsregelung bei Sozialplanabfindung ist keine Altersdiskriminierung

Das BAG hat mit Urteil vom 08.02.2022 – 1 AZR 252/21 entschieden, dass eine Höchstbetragsregelung in einem Sozialplan ältere Arbeitnehmer regelmäßig nicht iSv § 3 II AGG mittelbar benachteiligt, wenn die Abfindung die durch den Verlust des Arbeitsplatzes entstehenden Nachteile spürbar abmildert und nur die Begünstigung begrenzt, die diese Arbeitnehmergruppe durch eine besondere Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit im Rahmen der Abfindungsberechnung erfahren hat.

Sachverhalt

Dem Urteil des BAG liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Parteien streiten über die Höhe einer Sozialplanabfindung, nachdem die Klägerin den Betrieb Ende Februar 2019 stilllegte. Der – auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhende – Sozialplan sah vor, dass alle anspruchsberechtigten Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Grundabfindung nach der Formel „Bruttomonatsentgelt x Betriebszugehörigkeit x 1,45 = Abfindung brutto“ erhalten, und dass diese auf eine Abfindungshöchstbetrag von 230.000 Euro brutto begrenzt sei. Nachdem die Klägerin an den Beklagten und Widerkläger den Abfindungshöchstbetrag aus dem Sozialplan als Abfindung geleistet hatte, erhob dieser erstmals in der Berufung Widerklage auf Zahlung eines weiteren Abfindungsbetrages, die vor dem LAG erfolglos blieb. Die Revision des Widerklägers vor dem BAG hatte ebenfalls keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Der Widerkläger habe keinen Anspruch auf eine weitere Abfindung, da die Höchstbetragsregelung nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 I BetrVG verstoße.

Die Höchstbetragsregelung enthalte keine unmittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer iSv § 3 I 1 AGG, weil sie nicht an das Alter der Arbeitnehmer anknüpfe.

Eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSv § 3 II AGG sei ebenfalls nicht gegeben, weil die Begrenzung der Sozialplanabfindung auf den Höchstbetrag durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt sei. Denn mit der Festlegung einer Höchstabfindung solle ersichtlich dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die für den Sozialplan zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel limitiert seien.  Die Regelung bezwecke daher, Verteilungsgerechtigkeit herzustellen, damit möglichst allen vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmern eine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe gewährt werden kann.

Die Höchstbetragsregelung sei zudem auch geeignet, erforderlich und angemessen, das Ziel der Verteilungsgerechtigkeit zu erreichen. Sozialpläne hätten typischerweise eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen seien kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste, sondern sollen die voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Folgen eines durch Betriebsänderung verursachten Arbeitsplatzverlusts ausgleichen oder zumindest abmildern.

Die Höchstbetragsregelung beeinträchtige die legitimen Interessen der von ihr erfassten Arbeitnehmer auch nicht aus anderen Gründen unangemessen. Deren überproportionale Betroffenheit von der Kappungsgrenze stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer angelegten Bevorzugung durch die – unbeschränkte – Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit. In der Sache beschränke der vereinbarte Höchstbetrag lediglich die durch diese Berechnungsweise bewirkte Begünstigung der typischerweise älteren Arbeitnehmer.

Hinweise für die Praxis

Das BAG knüpft an seine bisherige Rechtsprechung an. Dieses hatte bereits mit Urteil vom 07.12.2021 – 1 AZR 562/20 entschieden, dass eine Höchstbetragsregelung bei einer Sozialplanabfindung keine Altersdiskriminierung sei.

Zwar ist eine Höchstbetragsregelung geeignet, Arbeitnehmer mit höherem Lebensalter in besonderer Weise zu benachteiligen, weil sie typischerweise für diese Arbeitnehmergruppe gelten kann. Denn eine längere Betriebszugehörigkeit geht wiederum regelmäßig mit einem verhältnismäßig hohen Lebensalter einher. Dennoch bleibt den Betriebsparteien die Möglichkeit, bei Sozialplanverhandlungen auf eine Höchstbetragsregelung zurückzugreifen. Nach Ansicht des BAG soll die damit verbundene mittelbare Benachteiligung durch das Ziel der Verteilungsgerechtigkeit sachlich gerechtfertigt sein. Auch soll die Begrenzung der Sozialplanabfindung zur Erreichung dieses Ziels geeignet, erforderlich und angemessen sein.

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