Stefan Daub, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Fehlen der sog. Soll-Angaben gem. § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG führen nicht zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass das Fehlen der sog. Soll-Angaben nach § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG („Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer“) im Rahmen einer Massenentlassungsanzeige für sich genommen nicht zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige des Arbeitgebers gegenüber der Agentur für Arbeit führt.

Sachverhalt

Dem Urteil des BAG liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die verklagte Arbeitgeberin beschäftigte in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmer. Sie kündigte in der Zeit vom 18.06. bis zum 18.07.2019 die Arbeitsverhältnisse von insgesamt 17 Arbeitnehmern. Die Klägerin stellte sich im Streit um die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung u.a. auf den Standpunkt, dass die ihr am 18.06.2019 zugegangene Kündigung bereits nach § 134 BGB nichtig sei, weil die Beklagte gegenüber der Agentur für Arbeit nicht zuvor die im Gesetz in § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG genannten Angaben gemacht habe.

Das Hessische Landesarbeitsgericht als Vorinstanz hat die Massenentlassungsanzeige der Beklagten für unwirksam gehalten, der Kündigungsschutzklage bereits deshalb stattgegeben.

Entscheidungsgründe

Auf die Revision der Beklagten hat der zweite Senat des BAG das Berufungsurteil aufgehoben, den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das BAG konnte aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Rahmen einer Massenentlassung gekündigt worden war. Dazu müsste die Beklagte nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG mehr als fünf Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlassen haben. Da der Zeitraum vom 18.06. bis einschließlich 18.07.2019 aber 31 Kalendertage umfasste, war für das BAG unklar, wie viele Kündigungen im Zeitraum von 30 Arbeitstagen „zugegangen“ sind.

Ungeachtet dessen führte das BAG aus, dass die ausgesprochene Kündigung nicht deshalb nach § 134 BGB nichtig sei, weil die Beklagte nicht zuvor Angaben gem. § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG gegenüber der Agentur für Arbeit gemacht habe. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift führe nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers gerade nicht zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige. Das BAG stellte fest, dass sich die nationalen Gerichte nicht im Wege einer sog. richtlinienkonformen Auslegung über diese gesetzgeberische Entscheidung hinwegsetzen dürften, zumal eine solche auch nicht geboten sei. Durch die Rechtsprechung des EuGH sei vielmehr bereits geklärt, dass die in § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG vorgesehenen Angaben nicht gem. Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20.07.1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Massenentlassungen (sog. MERL) in der Anzeige enthalten sein müssten.

Hinweise für die Praxis

Fehler im komplizierten Massenentlassungsverfahren führen zwischenzeitlich häufig zur Unwirksamkeit von Kündigungen. Das Verfahren ist deshalb sehr sorgfältig durchzuführen.

Der sechste Senat des BAG hat mit seinem Beschluss vom 27.01.2022 (6 AZR 155/21 (A)) dem EuGH die Frage zur Beantwortung vorgelegt, welchem Zweck die sog. Übermittlungspflicht nach Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 MERL diene, da hiervon abhänge, ob die Regelung in § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG (Pflicht des Arbeitgebers der Agentur für Arbeit gleichzeitig eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat gem. § 17 Abs. 2 KSchG zuzuleiten) auch den Arbeitnehmerschutz bezweckt und als Verbotsgesetz gem. § 134 BGB anzusehen sei. Bis diese Frage vom EuGH beantwortet ist, ist jedem Arbeitgeber dringend zu empfehlen, auch diese Pflicht zu beachten.

Erfreulich ist, dass das BAG nunmehr eine weitere Frage zum Massenentlassungsverfahren geklärt hat und die Sollvorschriften auch als solche versteht, ohne dass ein Verstoß gegen diese Pflicht auch sogleich Auswirkungen auf die Wirksamkeit einer Kündigung hat. Gleichwohl schadet es nichts, und das ist den Arbeitgebern zu empfehlen, auch diese Sollangaben mitzuteilen – der Arbeitgeber bietet dann weniger Angriffsfläche und ist dann zumindest bei diesem Punkt auf der sicheren Seite.

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