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Erschwerniszuschlag – Atemschutzmaske

Das BAG hat mit Urteil vom 20.07.2022 (10 AZR 41/22) entschieden, dass das Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske (sog. OP-Maske) auf Anweisung des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Corona-Schutzmaßnahmen nicht die Voraussetzungen für den Erschwerniszuschlag nach §10 Nr. 1.2 des Rahmentarifvertrags für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 31.10.2019 (RTV) erfüllt.

Sachverhalt

Der Kläger ist bei der Beklagten als Reinigungskraft angestellt. Aufgrund Allgemeinverbindlicherklärung gelten die Regelungen des RTV für das Arbeitsverhältnis der Parteien. Der Kläger trug in der Zeit von August 2020 bis Mai 2021 auf Anweisung der Beklagten, die im Zusammenhang mit Corona-Schutzmaßnahmen erfolgte, bei der Ausführung der Reinigungsarbeiten eine medizinische Gesichtsmaske. Hierfür verlangt er einen tariflichen Erschwerniszuschlag auf der Grundlage von § 10 Nr. 1.2 RTV iHv. 10% seines Stundenlohns. Er meint, auch das Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske bei der Arbeit stelle eine Erschwernis dar, die durch den Erschwerniszuschlag abgegolten werden solle. Eine medizinische Gesichtsmaske sei als Teil der persönlichen Schutzausrüstung anzusehen, weil sie auch die Gefahr der eigenen Ansteckung verringere. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Eine medizinische Gesichtsmaske ist keine Atemschutzmaske iSv. § 10 Nr. 1.2 RTV. Die tarifliche Bestimmung knüpft insoweit an die maßgeblichen Vorschriften des Arbeitsschutzrechts an. Danach fällt unter den Begriff der Atemschutzmaske nur eine solche Maske, die vorrangig den Eigenschutz bezweckt und zu den sog. persönlichen Schutzausrüstungen (PSA) gehört. Das trifft auf medizinische Gesichtsmasken nicht zu. Diese bezwecken einen Fremd-, aber keinen Eigenschutz, der den Anforderungen an eine persönliche Schutzausrüstung im Sinne der arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften genügt. Ein Anspruch auf den tariflichen Erschwerniszuschlag nach dem RTV besteht deshalb beim Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske nicht.

Hinweise für die Praxis

Angesichts steigender Fallzahlen ist davon auszugehen, dass die Corona-Pandemie die Arbeitswelt auch im kommenden Herbst und Winter in Atem halten wird. Voraussichtlich werden die – derzeit noch nicht absehbaren – Maßnahmen der Bundes- und Landesregierungen abermals neue arbeits- und arbeitsschutzrechtliche Fragen aufwerfen. Mit erfreulicher Klarheit und Knappheit hat das BAG aber unmissverständlich klargestellt, dass medizinische Gesichtsmasken nicht als Schutzausrüstung zu bewerten sind, weil sie eben nicht allein den Eigenschutz bezwecken. An diesem zutreffenden Befund ändert auch der Wegfall der Corona-Arbeitsschutzverordnung zum 25.05.2022 nichts. Die Erforderlichkeit des Tragens von medizinischen Gesichtsmasken und Atemschutzmasken ist weiterhin im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu bewerten. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass diese Arbeitsschutzmaßnahme auch unabhängig bestehender Regelung dem Fremdschutz und auch dem Eigenschutz (bei FFP2-Masken) dienen kann und hinsichtlich eventueller Verbindlichkeiten auch einen grundsätzlich geringen Eingriff in die Handlungsfreiheit der Beschäftigten (Art. 2 Abs. 1 GG) darstellt. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG kann somit als Arbeitsschutzmaßnahme auch das Tragen medizinischen Masken im Betrieb festgelegt werden (z. B. auf Begegnungsflächen oder wenn bestimmte Mindestabstände nicht eingehalten werden können). Ansprüche auf etwaige Erschwerniszuschläge werden hierdurch gleichwohl nicht ausgelöst.

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