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Ausschlussfrist umfasst nicht Mindestlohn

Das BAG hat mit Urteil vom 13.07.2022 – 5 AZR 498/21 entschieden, dass der Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns einer Ausschlussfrist nicht unterworfen werden kann.

Sachverhalt

Nachdem der Kläger Vergütung wegen Annahmeverzugs in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns begehrt hat, hat sich die die beklagte Arbeitgeberin darauf berufen, dass der Anspruch des Klägers nach dem anwendbaren BRTV-Bau wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung verfallen sei. Dieser enthält in § 14 eine zweistufige Ausschlussfristenregelung, wonach – auf der ersten Stufe – alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Dass der Kläger die tarifliche Ausschlussfrist nicht gewahrt hat, steht zwischen den Parteien außer Streit.

Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Das LAG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Auf die Revision der Beklagten hat das BAG die Sache an das LAG Baden-Württemberg zurückverwiesen, welches noch festzustellen habe, ob der Kläger im Streitzeitraum leistungswillig und die Beklagte damit im Annahmeverzug gewesen war.

Entscheidungsgründe

Nach Ansicht des BAG habe das LAG im Ergebnis jedoch zu Recht erkannt, dass ein möglicher Anspruch des Klägers auf Vergütung wegen Annahmeverzugs in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns jedenfalls nicht nach der Ausschlussfristenregelung in § 14 Nr. 1 BRTV-Bau verfallen wäre. Dem stehe § 3 Satz 1 MiLoG entgegen.

§ 3 Satz 1 MiLoG erfasse zwar unmittelbar nur den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für geleistete Arbeit. § 615 Satz 1 BGB erhalte jedoch dem Arbeitnehmer im Annahmeverzugszeitraum den Vergütungsanspruch aus § 611 a II BGB aufrecht, wobei das Lohnausfallprinzip mit der Folge gelte, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich so zu stellen sei, als hätte er gearbeitet. Dies verlange, den Mindestlohn nach § 1 II 1 MiLoG als Geldfaktor in die Berechnung der Annahmeverzugsvergütung einzustellen, soweit nicht aus anderen Rechtsgründen ein höherer Vergütungsanspruch besteht. Denn anderenfalls stünde der Arbeitnehmer entgegen dem Gesetzesbefehl des § 615 Satz 1 BGB schlechter als er bei tatsächlicher Arbeit gestanden hätte. In diesem Falle hätte er – unbeschadet von Ausschlussfristen – jedenfalls den gesetzlichen Mindestlohn erhalten. Seit dem 01.01.2015 könne deshalb der Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns einer tariflichen (oder sonstigen) Ausschlussfrist nicht mehr unterworfen werden.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des BAG fügt sich in die bisherige Rechtsprechung ein. Bereits mit Urteil vom 20.06.2018 – 5 AZR 377/17 hat das BAG entschieden, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns einer Ausschlussfrist nicht unterworfen werden könne. Für den Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs kann daher nichts anderes gelten. Denn auch hier muss dem Arbeitnehmer aufgrund der Schutzwirkung des § 3 Satz 1 MiLoG zumindest ein Anspruch in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns verbleiben. Die Rechtslage ist damit mit der bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle vergleichbar.

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