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Auslegung von Ausgleichsklauseln

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat mit Urteil vom 20.04.2022 – 5 Sa 100/21 entschieden, dass Ausgleichsklauseln in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich oder in einem Aufhebungsvertrag im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen sind.

Sachverhalt

Dem Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Parteien streiten um Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 16.06.2020 bis 26.07.2020. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag zum 31.10.2020. Dieser regelte unter § 4, dass sich die Parteien darüber einig seien, „dass mit der Erfüllung dieser Aufhebungsvereinbarung sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, ob bekannt oder unbekannt, vollständig erledigt sind.“

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Zahlung von noch offener Entgeltfortzahlung für den Zeitraum 15.06.2020 bis 26.07.2020 begehrt. Sie ist der Ansicht, dass es sich in diesem Zeitraum um eine neue Erkrankung gehandelt habe, so dass auch für diesen Zeitraum Entgeltfortzahlung zu leisten sei. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt, da es sich bei den Erkrankungen der Klägerin um einen einheitlichen Verhinderungsfall gehandelt habe. Sie habe nach Erhalt der Folgebescheinigungen des Arztes Korrekturabrechnungen für die Monate Juni und Juli 2020 erteilt und in Höhe des korrespondierenden Nettobetrages wirksam mit dem Oktoberlohn 2020 nach §§ 389, 387 BGB aufgerechnet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Entgeltansprüche der Klägerin für den Monat Oktober 2020 in Höhe des aufgerechneten Betrags erloschen seien. Die Beklagte könne von der Klägerin aus ungerechtfertigter Bereicherung die Rückzahlung des ohne Rechtsgrund für den Zeitraum 16.06. bis 26.07.2020 gezahlten Entgelts fordern. Die hierauf von der Klägerin erhobene Berufung vor dem LAG hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe

Ob ein Rückzahlungsanspruch der Beklagten entstanden sei, könne dahinstehen. Jedenfalls sei er mit Abschluss der Aufhebungsvereinbarung vom 15./27.10.2020 erloschen. Die Ausgleichsklausel unter § 4 der Aufhebungsvereinbarung erfasse auch einen evtl. Bereicherungsanspruch wegen einer Gehaltsüberzahlung im Juni/Juli 2020.

Eine Formulierung wie in § 4 sei regelmäßig als konstitutives negatives Schuldanerkenntnis zu verstehen. Diese Bestimmung erfasse alle wechselseitigen gesetzlichen und vertraglichen Ansprüche, die die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehung gegeneinander haben.

Ausgleichsklauseln in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich oder in einem Aufhebungsvertrag seien im Interesse klarer Verhältnisse auch grundsätzlich weit auszulegen. Durch eine Ausgleichsklausel im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wollen die Parteien in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig, ob sie an diese dachten oder nicht.

Ausgenommen hiervon seien lediglich Ansprüche, die neben einer solchen Ausgleichsklausel im Einzelnen und gesondert geregelt werden, wie hier Ansprüche der Klägerin auf Urlaub bzw. Urlaubsabgeltung, Überstundenvergütung sowie auf Herausgabe von Privatsachen oder Ansprüche der Arbeitgeberin auf Rückgabe von Arbeitsmitteln.

Hinweise für die Praxis

Vor Vereinbarung einer Ausgleichsklausel sollten die Parteien prüfen, ob über den konkret geregelten Inhalt des Vergleichs oder der Aufhebungsvereinbarung hinaus noch weitere Ansprüche bestehen. In der Praxis werden Ausgleichsklausel manchmal vorschnell vereinbart und übersehen, dass eventuell noch weitere Ansprüche bestehen wie z.B. Ansprüche des Arbeitnehmers auf Reisekostenerstattung oder Ansprüche des Arbeitgebers auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen. Da Ausgleichsklauseln nach ständiger arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich weit auszulegen sind (BAG, Urteil vom 22.10.2008 – 10 AZR 617/07), sollte die Formulierung einer Aufhebungsvereinbarung daher sehr sorgfältig erfolgen, um nicht ungewollt auf Ansprüche zu verzichten.

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