Stefan Daub, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anspruch auf Zahlung eines (anteiligen) Jahresbonus bei unterjähriger Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Eine formularmäßige Regelung, nach der ein Anspruch auf eine Bonuszahlung, die ausschließlich vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängt, nur dann besteht, wenn der Arbeitnehmer noch am 31. Dezember beschäftigt ist, benachteiligt einen Arbeitnehmer unangemessen und ist daher unwirksam. Bei unterjährigem Ausscheiden besteht der Anspruch auf Bonuszahlung anteilig. Dies hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 22.10.2021 (9 Sa 19/21) entschieden.

Sachverhalt

Dem Urteil des LAG Baden-Württemberg liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war Personalleiter und leitender Angestellter der Beklagten. Sein Arbeitsverhältnis endete aufgrund Eigenkündigung mit Ablauf des 30.09.2019. Die Parteien stritten u.a. über die Zahlung des (vollen) Bonus für das Jahr 2019.

Zum Bonus war im Management Incentive Plan (MIP) u.a. geregelt, dass im Verlauf eines Ergebnisjahres neu eingestellte Mitarbeiter Anspruch auf eine anteilige Prämie auf Basis ihres Ziels und ihres Einstellungsdatums im Ergebnisjahr haben, zudem dass Mitarbeiter, sofern sie keinen Anspruch auf Verrentung haben, am 31.12 des Ergebnisjahres beschäftigt sein müssen, um Anspruch auf eine Prämie zu haben. Mitarbeiter, die im Verlauf des Ergebnisjahres in Rente gehen, haben Anspruch auf die Auszahlung einer anteiligen Prämie zum normalen Zeitpunkt auf Basis der tatsächlichen Ergebnisse.

Für 2018 zahlte die Beklagte an den Kläger noch einen Bonus gem. MIP i.H.v. EUR 25.121,00. Eine Zielvereinbarung für das Jahr 2019 haben die Parteien nicht getroffen.

Mit seiner Klage machte der Kläger für das Jahr 2019 die Zahlung eines zumindest rechnerisch unstreitigen (vollen) Bonus i.H.v. EUR 18.209,13 geltend. Da die Parteien keine Regelung dazu getroffen hätten, dass ein unterjähriges Ausscheiden den Bonusanspruch reduziere, stehe ihm für 2019 der volle Anspruch zu.

Die Beklagte verweigerte eine Zahlung u.a. deshalb, weil nach den Regelungen des MIP mit Ausnahme der Verrentung der Bestand des Beschäftigungsverhältnisses am 31. Dezember des Ergebnisjahres erforderlich sei. Ausschließliche Basis für die variable Vergütung seien die unternehmensabhängigen Kennzahlen des MIP, der keine Anknüpfung an persönliche Leistung hätte.

Das Arbeitsgericht hat die Klage noch abgewiesen, da eine Zielvereinbarung nicht getroffen worden sei. Ein Schadenersatzanspruch wegen unterlassener Zielvereinbarung bestehe nicht, weil die Initiativlast auf Seiten des Klägers liege.

Entscheidungsgründe

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG BW) hat die Beklagte nach weiterem Vortrag im Berufungsverfahren auf Basis des MIP zur Zahlung eines anteiligen Bonus für das Jahr 2019 i.H.v. EUR 13.656,85 (9/12-tel) verurteilt.

Das LAG BW ging davon aus, dass es sich bei dem MIP um Allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten handelt. Daran ändere die herausgehobene Position des Klägers als Personalleiter nichts, weil er auf die konzernweit geltende Regelung des MIP keinen Einfluss habe nehmen können.

Die Regelung, nach der ein Anspruch auf die Bonuszahlung nur dann besteht, wenn der Kläger am 31. Dezember beschäftigt ist, benachteilige den Kläger indes unangemessen und sei deshalb gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 BGB unwirksam. Sie entziehe dem Kläger rückwirkend die für die Arbeitsleistung versprochene und anteilig verdiente Vergütung. Bei dem vereinbarten Bonus nach MIP handele es sich um Vergütung für geleistete Arbeit, der Bonus habe vor allem Vergütungscharakter. Dies ergebe sich auch daraus, dass der Bonus im Eintrittsjahr bzw. im Jahr des Renteneintritts quotal zur Betriebszugehörigkeit gezahlt werde und ebenso geregelt sei, dass Mitarbeiter, die von ihrer Arbeit freigestellt sind, ebenso einen quotalen Anspruch hätten. Daran ändere nichts, dass die Ziele nach dem MIP rein unternehmensbezogene Ziele seien, die u.a. an das im MIP beschriebene organische Umsatzwachstum sowie an das „Operating Income“ anknüpfe, die durch die Arbeitsleistung des Klägers kaum zu beeinflussen seien. Dann gelte die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG), wonach Sonderzahlungen, die auch Gegenleistung für im gesamten Kalenderjahr laufend erbrachte Arbeit darstellen, nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des betreffenden Jahres abhängig gemacht werden kann. Die Stichtagsklausel stehe auch im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611a Abs. 2 BGB, indem sie einem Arbeitnehmer bereits erarbeiteten Lohn entziehe. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer Lohn für geleistete Arbeit vorenthalten zu können, sei nicht ersichtlich.

Das LAG BW entschied, dass die Rechtsprechung des BAG uneingeschränkt auf Ansprüche auf Bonuszahlungen anzuwenden sei, die nur an den Unternehmenserfolg anknüpfen, auch solche würden regelmäßig als zusätzliche Vergütung für eine im Geschäftsjahr erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gezahlt.

Der Anspruch auf Zahlung eines Bonus für das Jahr 2019 stehe dem Kläger im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2019 aber nur anteilig (pro rata temporis) zu. Dies ergebe sich bereits aus dem Vergütungscharakter der Bonuszahlungen für ein ganzes Jahr einerseits und dem Umstand, dass der Kläger andererseits seine versprochene Arbeitsleistung nur anteilig bis September 2019 erbracht habe. Daran ändere nichts, dass die Regelungen im MIP keine anteilige Zahlung im vorliegenden Fall vorsehe; hieraus lasse sich nicht der Schluss ziehen, dass in diesem Fall und in Abweichung von dem allgemeinen Grundsatz einer anteiligen Zahlung bei vorzeitigem Ausscheiden eine ungekürzte Zahlung zugesagt sei.

Hinweise für die Praxis

Das BAG hatte schon in einer Entscheidung vom 13.11.2013 (10 AZR 848/12) ausgeführt, dass eine Sonderzahlung, die (auch) Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, in allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des Jahres abhängig gemacht werden kann, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde.

Das LAG BW hat den Rechtsstreit ersichtlich auf Basis der bisherigen Rechtsprechung des BAG entschieden, gleichwohl die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

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