andreas imping arbeitsrecht p 1.jpgchristian claessens arbeitsrecht p.jpg

Absender einer E-Mail trifft volle Beweislast für deren Zugang

Den Absender einer E-Mail trifft die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die E-Mail dem Empfänger tatsächlich zugegangen ist. Ihm kommt keine Beweiserleichterung zugute, wenn er nach dem Versenden keine Meldung über die Unzustellbarkeit der E-Mail erhält. Dies hat das Landesarbeitsgericht Köln mit Urteil vom 11.01.2022 (Az. 4 Sa 315/21) entschieden.

Sachverhalt

Dem Urteil des LAG Köln liegt folgender Sachverhalt zugrunde: In dem Rechtsstreit stritten die Parteien über die Verpflichtung des Klägers, ein ihm zur Finanzierung einer Fortbildung gewährtes Darlehen an die Beklagte zurückzuzahlen. In dem Darlehensvertrag war geregelt, dass die Beklagte auf die Rückzahlung des Darlehens verzichtet, wenn sie aus betrieblichen Gründen dem Kläger nicht innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Fortbildung die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis anbietet.

Zwischen den Parteien war streitig, ob der Kläger am letzten Tag der fünfjährigen Frist eine E-Mail der Beklagten mit einem Beschäftigungsangebot erhalten hat. Die Beklage verwies insoweit auf ihr Postausgangs- und Posteingangskonto, wonach die E-Mail verschickt worden sei und sie daraufhin keine Meldung der Unzustellbarkeit bekommen habe. Laut Kläger ging eine solche E-Mail erst drei Tage später bei ihm ein.

In dem daraufhin vereinbarten Arbeitsverhältnis begann die Beklagte, vom Lohn des Klägers monatlich jeweils 500 Euro als Darlehensrückzahlung einzubehalten. Sie war der Ansicht, dass dem Kläger rechtzeitig ein Arbeitsplatz aufgrund der E-Mail angeboten worden sei. Die Bedingung für den Verzicht auf die Rückzahlung des Darlehens sei nicht eingetreten. Sie könne sich hinsichtlich des fristgerechten Zugangs der E-Mail auf den Beweis des ersten Anscheins berufen.

Der Kläger machte den einbehaltenen Lohn daraufhin vor dem Arbeitsgericht Köln geltend. Das Arbeitsgericht hat der Lohnzahlungsklage stattgegeben. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht Köln zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Das Landesarbeitsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Zugang einer E-Mail vom Versender darzulegen und zu beweisen sei. Die Absendung der E-Mail begründe keinen Anscheinsbeweis für den Zugang beim Empfänger. Ob nach dem Versenden einer E-Mail die Nachricht auf dem Empfängerserver eingeht, sei nicht gewiss. Wie auch bei einfacher Post sei es technisch möglich, dass die Nachricht nicht ankomme. Dieses Risiko könne nicht dem Empfänger aufgebürdet werden. Denn der Versender wähle die Art der Übermittlung der Willenserklärung und trage damit das Risiko, dass die Nachricht nicht ankomme. Um sicherzustellen, dass eine E-Mail den Adressaten erreicht hat, habe der Versender über die Optionsverwaltung eines E-Mail-Programms die Möglichkeit, eine Lesebestätigung anzufordern.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung bestätigt die bisherige Rechtsprechung. Schon das LAG Berlin-Brandenburg kam zu dem Ergebnis, dass es für die Darlegung des Zugangs einer E-Mail nicht ausreicht, dass die Mail abgesandt worden ist (Beschluss vom 27.11.2012 – 15 Ta 2066/12).

Ob derart hohe Anforderungen an den Anscheinsbeweis noch zeitgemäß sind, ist zumindest diskutabel. Infolge der technischen Entwicklung dürfte es heute die seltene Ausnahme bilden, dass eine an den korrekten Empfänger versandte E-Mail nicht in dessen Postfach landet. Die vom LAG Köln gezogene Parallele zum physischen Postverkehr ist in ihrer Pauschalität deshalb fragwürdig.

Ungeachtet dessen ist die Rechtsprechung zu beachten. Absendern von rechtserheblichen E-Mails ist weiterhin dringend anzuraten, eine Lesebestätigung von dem jeweiligen Empfänger anzufordern. Auch diese Variante bietet indes keine absolute Sicherheit, denn der Empfänger kann die Lesebestätigung in der Regel ohne Weiteres ablehnen, in machen E-Mail-Programmen sogar per automatischer Voreinstellung. Wer „auf Nummer sicher“ gehen will, sollte deshalb eine andere Form der Übermittlung wählen, wie etwa das Einwurf-Einschreiben oder die persönliche Übergabe unter Anwesenheit eines Zeugen.

Kontakt > mehr