meike kapp schwoerer gesellschaftsrecht webp.jpgron fahlteich gesellschaftsrecht webp.jpg

Gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern

In dringenden Fällen ist ein Aufsichtsrat vor Ablauf der 3-Monatsfrist durch gerichtlichen Beschluss zu ergänzen. Ein laufendes Übernahmeangebot ist ein dringender Fall.

Der Sachverhalt

Dem Beschluss des OLG Frankfurt lag folgender Sachverhalt zugrunde: In einer außerordentlichen Hauptversammlung wurden drei Mitglieder des Aufsichtsrats der Gesellschaft abgewählt. Ein Ausgleich des Aufsichtsrats auf die satzungsmäßig vorgesehenen zwölf Mitglieder erfolgte nicht. Von besonderer Bedeutung war, dass diese Abwahl während eines laufenden Übernahmeverfahrens erfolgte.

Der Aufsichtsratsvorsitzende und die Minderheitsaktionärin beantragten jeweils die gerichtliche Bestellung von drei Aufsichtsratsmitgliedern befristet bis zur nächsten Hauptversammlung.

Das Amtsgericht wies die Anträge mit der Begründung zurück, dass kein dringender Fall vorläge. Die hiergegen gerichteten Beschwerden hatten Erfolg.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt vom 13.01.2022 (Az. 20 W 5/22, 20 W 9/22)

Das OLG Frankfurt entschied, dass die, durch die neun anstatt der satzungsmäßig vorgesehenen zwölf Mitglieder, entstandene Vakanz auszugleichen war. Das laufende Übernahmeverfahren hinsichtlich der Gesellschaft begründe zudem einen dringenden Fall. Deswegen sei eine gerichtliche Bestellung der vakanten Aufsichtsräte auch vor Ablauf der grundsätzlichen Dreimonatsfrist erforderlich. Das Übernahmeangebot sei eine Situation mit grundlegender Bedeutung für die Gesellschaftszukunft. Dies erfordere eine vollständige Besetzung des Aufsichtsrats. Nur so könne gewährleistet sein, dass der Aufsichtsrat seinen Aufgaben (insbesondere Beteiligung an etwaig noch erforderliche Entscheidungen und Überwachung der Geschäftsführung) in dieser für die Gesellschaf wichtigen Phase ordnungsgemäß nachkomme.

Praxishinweis

Eine Gesellschaft ist nach der grundsätzlichen Intention der Gesellschafter auf dauerhaften Bestand angelegt. Während der Zeit des Bestehens einer Gesellschaft kommt es immer wieder zu Wechseln im Aufsichtsrat (gewollt oder ungewollt). Nun können Fälle auftreten, bei denen das ausscheidende Aufsichtsratsmitglied nicht direkt durch einen neuen ersetzt wird. So etwa, wenn in der Hauptversammlung Uneinigkeit über die Person besteht – z.B. wegen Meinungsverschiedenheiten bzgl. der fachlichen Eignung. Dann weicht der Aufsichtsrat von der satzungsmäßig vorgesehenen Anzahl ab. Folge ist die sog. Vakanz. Zur Sicherstellung der Handlungs- und Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrates ermöglicht das Gesetz in solchen Fällen die Vervollständigung des Aufsichtsrats durch Gerichtsbeschluss (§ 104 AktG).

Das Gesetz sieht im Wesentlichen vier Konstellationen vor, in denen eine gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern in Betracht kommt:

  • bei einer Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats,
  • bei einer Vakanz seit mehr als drei Monaten,
  • bei einer Vakanz und dem Vorliegen eines dringenden Falls, oder
  • bei einer unvollständigen gesetzlichen oder satzungsmäßigen Besetzung bei paritätisch mitbestimmten Gesellschaften.

Der vom OLG Frankfurt entschiedene Fall betraf die Konstellation eines dringenden Falls. Ein dringender Fall ist gegeben, wenn eine grundlegende Entscheidung mit wesentlicher Bedeutung für die gesellschaftliche Struktur oder den Bestand der Gesellschaft ansteht und hierfür eben auch ein vollständig besetzter Aufsichtsrat erforderlich ist. Dass ein laufendes Übernahmeangebot einen solchen dringenden Fall begründet, hat das OLG Frankfurt mit dieser Entscheidung bestätigt. Weitere dringende Fälle können sein (nicht abschließend): eine bevorstehende Umwandlung der Gesellschaft, die Übernahme einer anderen Gesellschaft, die erforderliche Auswechslung des Vorstands der Gesellschaft oder eine drohende Insolvenz.

Wird hingegen die Bestellung einer in den Aufsichtsrat gewählten Personen mittels einer Wahlanfechtungsklage angegriffen, rechtfertigt ein solches Verfahren, wegen des (noch) fortbestehenden Aufsichtsratsmandats, zunächst noch keine gerichtliche Bestellung eines (Ersatz-)Aufsichtsrats vor der Entscheidung des Gerichts über die Wahlanfechtungsklage (vgl. OLG München, Beschluss vom 22.12.2020 – 31 Wx 436/20).

Das Gericht hat die Auswahl der mit dem Gerichtsbeschluss bestellten Aufsichtsratsmitglieder nach pflichtgemäßem Ermessen zu vollziehen. Die Interessen der Gesellschaft sind hierbei zwingend zu berücksichtigen. Auch wenn das Gesetz oder die Satzung besondere persönliche Anforderungen vorsehen (etwa: besondere fachliche Qualifikationen), sind diese zu berücksichtigen.

Kontakt > mehr