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Abrücken des Arbeitgebers von der zunächst erteilten Schlussformel im geänderten Zeugnis

Das LAG Niedersachsen hat mit Urteil vom 12.07.2022 – 10 Sa 1217/21 entschieden, dass ein Arbeitnehmer unmittelbar aus § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO keinen Anspruch auf eine Dankes- und Wunschformel ableiten kann. Der Arbeitgeber ist an den Inhalt eines erteilten Zeugnisses jedoch grundsätzlich gebunden. Der Arbeitgeber kann daher nicht grundlos von der zunächst erteilten Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel im geänderten Arbeitszeugnis abrücken.

Sachverhalt

Dem Urteil des LAG Niedersachsen liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin war aus den Diensten der Beklagten ausgeschieden, die ihr ein Arbeitszeugnis erteilte, welches eine Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel enthielt.

Nachdem die Klägerin eine verbesserte Bewertung ihres Arbeits- und Sozialverhaltens verlangte und ein geändertes Zeugnis erhielt, beanstandete die Klägerin auch dieses und verlangte durch Anwaltsschreiben unter Fristsetzung sowie Androhung weiterer rechtlicher Schritte weitergehende Korrekturen. Daraufhin erhielt die Klägerin eine dritte, in der Bewertung verbesserte Version, welches jedoch nicht mehr die Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel enthielt.

Das LAG bestätigte das Urteil des Arbeitsgerichts, wonach die Beklagte verpflichtet sei, die Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel in das Arbeitszeugnis aufzunehmen.

Entscheidungsgründe

Nach Ansicht des LAG bestehe zwar auf eine Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel grundsätzlich kein Anspruch, da das Interesse des Arbeitgebers, seine innere Einstellung zu dem Arbeitnehmer sowie seine Gedanken- und Gefühlswelt nicht offenbaren zu müssen, höher zu bewerten sei als das Interesse des Arbeitnehmers an einer Schlussformel.

Der Arbeitgeber sei an den Inhalt eines erteilten Zeugnisses jedoch grundsätzlich gebunden. Von den in ihm enthaltenen Wissenserklärungen des Arbeitgebers zum Verhalten oder zur Leistung des Arbeitnehmers könne er nur dann abrücken, wenn ihm nachträglich Umstände bekannt werden, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen. Das ergebe sich auch aus dem Rechtsgedanken des Maßregelungsverbots (§ 612a BGB). Der Arbeitgeber sei deshalb nicht befugt, vom Arbeitnehmer nicht beanstandete Teile des Zeugnisses grundlos über die zu Recht verlangten Berichtigungen hinaus zu ändern. Dies gelte auch für eine erteilte Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel.

Vorliegend sei das Verlangen der Klägerin, die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung aufzubessern, auch offenbar berechtigt gewesen, denn anderenfalls wäre die Beklagte ihm nicht nachgekommen. Dann aber sei es ihr verwehrt, der Klägerin als Sanktion die bereits gewährte Schlussformel wieder zu entziehen. Dass das Arbeitsverhältnis bei Erteilung des (berichtigten) Zeugnisses nicht mehr besteht, hindere auch nicht die Anwendung des Maßregelungsverbotes.

Hinweise für die Praxis

In der Praxis ist es vielfach üblich, ein Zeugnis mit einer Schlussformel zu versehen, mit welchem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die geleistete Arbeit dankt und ihm für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg wünscht. Positive Schlussformeln können nicht nur den sonstigen Zeugnisinhalt bekräftigen, sondern auch die Bewerbungschancen des Arbeitnehmers erhöhen. Fehlt es hingegen an einer Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel kann dies das Zeugnis entwerten oder sogar den Eindruck entstehen lassen, dass das Arbeitsverhältnis im Konflikt geendet hat.

Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Dankes- und Wunschformel im Arbeitszeugnis besteht jedoch nicht. Dies hat das BAG jüngst mit Urteil vom 25.01.2022 – 9 AZR 146/21 bestätigt.

Wurde hingegen eine Schlussformel verwendet, muss sie jedoch mit dem übrigen Zeugnisinhalt in Einklang stehen. Ist das nicht der Fall, kann der Arbeitnehmer den Arbeitgeber auf Erteilung eines ordnungsgemäßen Zeugnisses in Anspruch nehmen (BAG, Urteil vom 20.02.2021 – 9 AZR 44/00). Eine Widersprüchlichkeit des Zeugnisses wurde beispielsweise angenommen, wenn einem Arbeitnehmer bei einer im Übrigen überdurchschnittlichen Leistungs- und Verhaltensbeurteilung (nur) für die "Zukunft alles Gute" gewünscht wird, ohne dass Dank für die vergangene Zusammenarbeit ausgesprochen wird (LAG Köln, Urteil vom 29.02.2008 – 4 Sa 1315/07).

Hat der Arbeitgeber die Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel hingegen zuvor selbst verwendet, ist er an die Formel gebunden und kann nicht mehr nachträglich und grundlos von ihr abrücken, wie das LAG Niedersachsen nunmehr entschieden hat. Da die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage zugelassen worden ist, bleibt abzuwarten, ob hierzu noch das BAG Stellung nehmen wird.

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