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Verschärfungen der Investitionskontrolle – Rückblick auf das Jahr 2020 und Ausblick auf die bevorstehende 17. AWV-Novelle

Die Zahl der Unternehmenskäufe, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) kontrolliert werden, ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen.

Das BMWi kann im Rahmen der sektorübergreifenden Investitionskontrolle prüfen, ob der Erwerb eines inländischen Unternehmens durch einen von außerhalb der EU stammenden Erwerber die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Erfasst sind zunächst Unternehmenserwerbe, durch die unmittelbar oder mittelbar mindestens 25% der Stimmrechte vom Investor erworben werden. Sofern allerdings inländische Unternehmen aus einem besonders sicherheitsrelevanten Bereich betroffen sind, liegt die Schwelle bereits bei 10% und zudem ist der Erwerb dann bei Unterzeichnung der entsprechenden Verträge („Signing“) meldepflichtig.

Wenn das inländische Zielunternehmen bestimmte in § 60 AWV genannte Güter herstellt – vornehmlich Rüstungsgüter – greift die sog. sektorspezifische Prüfung, bei der die maßgebliche Erwerbsschwelle stets bei 10% liegt. Außerdem sind im Rahmen der sektorspezifischen Prüfung nicht nur von außerhalb der EU stammende Erwerber relevant, sondern auch Erwerber aus anderen EU-Staaten.

Rückblick auf die Verschärfungen im Jahr 2020

Im Laufe des Jahres 2020 erfolgten weitreichende Änderungen bei der Investitionskontrolle durch die bereits umgesetzten Novellen im Außenwirtschaftsrecht. Das waren die 1. AWG- und die 15. und 16. AWV-Novelle. Hintergrund dafür war insbesondere die Pflicht zur Umsetzung der sog. EU-Screening Verordnung (VO 2019/452 vom 21.03.19).

Im Rahmen der Transaktionspraxis gewinnen daher die AWG- und AWV-Vorschriften zunehmend an Bedeutung. Die mit diesen Novellen einhergegangen, wesentlichen Änderungen bzw. Verschärfungen der Investitionskontrolle lassen sich wie folgt zusammenfassen:

a) Sowohl für die sektorspezifische als auch sektorübergreifende Investitionsprüfung wurde ein einheitliches Fristenregime in § 14a AWG eingeführt. Eine Investitionsprüfung durch das BWMi kann jedenfalls dann nicht mehr erfolgen, wenn bereits 5 Jahre nach Signing vergangen sind – nur in diesem Fall haben die an der Transaktion beteiligten Parteien insofern Rechtssicherheit. Abgesehen von diesem Ausnahmefall hat das BMWi zwei Monate ab Kenntniserlangung von einem Erwerb Zeit zu entscheiden, ob eine Investitionsprüfung erfolgen soll. Wird die Prüfung durchgeführt, muss sie im Grundsatz innerhalb von 4 Monaten ab Eingang der vollständigen Unterlagen beim BWMi abgeschlossen sein. Allerdings ist es dem BMWi bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen möglich, diese Hauptprüffrist einseitig zu verlängern oder deren Ablauf zu hemmen. Daher dürfte das geänderte Fristenregime nicht zu einer Verkürzung des Verfahrens führen.

b) Darüber hinaus wurde der Prüfungsmaßstab des BMWi erweitert. Das BMWi ist nun z.B. im Bereich der sektorübergreifenden Prüfung bereits zum Einschreiten berechtigt, wenn durch eine Transaktion eine voraussichtliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit zu befürchten ist. Darauf hinzuweisen ist, dass bei der Prüfung, ob eine voraussichtliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung besteht, das BWMi insbesondere auch den Hintergrund des Investors zu berücksichtigen hat (vgl. § 55 Abs. 1b AWV). So wird z.B. geprüft, ob der Erwerber unmittelbar oder mittelbar von der Regierung eines Drittstaates kontrolliert wird oder ob ein erhebliches Risiko dafür besteht, dass der Erwerber an Wirtschaftsstraftaten beteiligt war oder ist. Zwar soll immer eine Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls erfolgen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Neueinführung des § 55 Abs. 1b AWV es Erwerbern aus bestimmten Staaten erschwert, gerade Unternehmen aus kritischen Bereichen zu übernehmen.

Zudem ist bei der Überprüfung mittlerweile auch die öffentliche Sicherheit und Ordnung anderer EU-Mitgliedsstaaten relevant. In diesem Zusammenhang ist eine nationale Kontaktstelle eingerichtet worden, die Teil des europäischen Kooperationsmechanismus ist. Beispielsweise werden Stellungnahmen der EU-Kommission oder anderer EU-Staaten zu vom BMWi zu prüfenden Transaktionen bei der nationalen Kontaktstelle in Deutschland eingereicht.

c) Außerdem wurden bei der sektorübergreifenden Prüfung dem Regelkatalog der stets meldepflichtigen Erwerbe, die die oben genannte 10%-Schwelle erreichen, weitere Fallgruppen hinzugefügt. Die stetige Erweiterung dieses Regelkatalogs gem. § 55 Abs. 1 S. 2 AWV führt zwangsläufig zu einer Intensivierung der Investitionskontrolle. Lesen Sie zu den neuen Fallgruppen Nr. 8-11, die vor dem Hintergrund der Corona-Krise zur Sicherung eines funktionierenden Gesundheitssektors eingeführt worden sind, bereits den Beitrag „Wegen Covid-19: Bundesregierung zieht Verschärfung der Investitionskontrolle im Bereich Pharma und Medizintechnik vor".

d) Das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft ist trotz einer Investitionskontrolle durch das BMWi grundsätzlich wirksam, steht aber unter der auflösenden Bedingung der Untersagung durch das BMWi. Dies gilt für die sektorspezifische als auch sektorübergreifende Investitionskontrolle gleichermaßen. Jedoch ist nunmehr auch das Verfügungsgeschäft meldepflichtiger Erwerbe, der eigentliche Vollzug der Transaktion, im Rahmen der sektorübergreifenden Investitionskontrolle bis zur Genehmigung der Transaktion durch das BMWi schwebend unwirksam, vgl. § 15 Abs. 3 AWG. Zudem ist hervorzuheben, dass in diesem Zusammenhang für die in § 15 Abs. 4 AWG genannten Handlungen, die etwa dem Erwerber bereits Einfluss auf Entscheidungen des Unternehmens oder eine Gewinnbeteiligung ermöglichen, ein strafbewehrtes Vollzugsverbot gilt, das damit den faktischen Vollzug des Geschäfts verhindern soll. Ein Verstoß gegen dieses Verbot kann im Einzelfall sogar dazu führen, dass der Erwerb untersagt wird. Um dies zu vermeiden, ist bspw. in Bezug auf den Austausch unternehmensbezogener Informationen die Bildung von sog. Clean-Teams zu empfehlen.

Ausblick: 17. AWV-Novelle

Im Anschluss an die im vergangenen Jahr erfolgten Novellen des AWG und der AWV steht nun mit der 17. AWV-Novelle eine weitere Verschärfung der Investitionskontrolle auf dem Plan. Die Unternehmensverbände konnten bereits ihre Stellungnahmen zum Referentenentwurf abgeben.

a) Die bereits oben genannte, kontinuierliche Erweiterung des Regelkatalogs meldepflichtiger Erwerbe im Rahmen der sektorübergreifenden Investitionskontrolle wird auch mit dieser Novelle fortgesetzt. So ist eine Ausdehnung des Katalogs von 11 auf bis zu 27 Fallgruppen geplant (nun vorgesehen in § 55a AWV-E). Dies betrifft – wie erwartet – vornehmlich sensible Bereiche wie Künstliche Intelligenz, Robotik, autonomes Fahren bzw. Fliegen, Quanten- sowie Halbleitertechnologie. Diese deutliche Erweiterung des Regelkatalogs wird sich insofern in der Praxis bemerkbar machen, als in Zukunft mit einer immer größeren Anzahl an Überprüfungen von Unternehmenskäufen durch das BMWi zu rechnen ist.

b) Zudem ist auf folgende geplante Änderung hinzuweisen; Bislang war in § 56 AWV nicht geregelt, dass auch Hinzuerwerbe bzw. eine Aufstockung der Anteile über die in § 56 Abs. 1 AWV genannten, maßgeblichen Schwellenwerte (10%/25%) eine Investitionskontrolle auslösen können. Dies soll nun aber mit der 17. AWV-Novelle ausdrücklich geregelt werden und die bereits schon früher so gehandhabte Praxis des BMWi abbilden (vgl. § 56 Abs. 2 AWV-E). Denn jeder weitere Stimmrechtserwerb durch einen ausländischen Investor an einem deutschen Unternehmen kann zu einem Mehr an Einfluss führen. Problematisch ist allerdings, dass die Implementierung von weiteren Schwellenwerten mit Blick auf einen solchen Hinzuerwerb nicht vorgesehen ist. Das würde bedeuten, dass jeder weitere Erwerb einer – noch so kleinen – Beteiligung einer Prüfung durch das BMWi unterzogen werden könnte oder sogar meldepflichtig ist.

c) Daneben ist für die Praxis von erheblicher Bedeutung, dass § 56 Abs. 3 AWV-E von nun an vorsehen soll, dass bereits „eine wirksame Beteiligung an der Verwaltung oder Kontrolle des inländischen Unternehmens“ durch einen Unionsfremden eine Investitionskontrolle auslösen kann. Gemäß § 56 Abs. 3 S. 1 AWV-E soll dies insbesondere dann der Fall sein, wenn ein Erwerb von Stimmrechten einhergeht mit (1) der Zusicherung zusätzlicher Sitze oder Mehrheiten in Aufsichtsgremien oder in der Geschäftsführung, (2) der Einräumung von Vetorechten bei strategischen Geschäfts- oder Personalentscheidungen oder (3) der Einräumung von Informationsrechten. Dies wird allerdings insofern eingeschränkt, als dadurch (alleine oder zusammen mit Stimmrechten) zumindest eine Beteiligung an der Verwaltung oder Kontrolle des inländischen Unternehmens ermöglicht werden muss, die dem durch einen Stimmrechtsanteilserwerb von 10% bzw. 25% vermittelten Einfluss am Zielunternehmen entspricht.

d) Geplant ist ebenfalls eine Erweiterung der sektorspezifischen Prüfung. Hier ist bspw. hervorzuheben, dass das BMWi nun zur Prüfung berechtigt sein soll, ob der (Anteils-)Erwerb des Zielunternehmens durch einen ausländischen Investor voraussichtlich wesentliche Sicherheitsinteresse der Bundesrepublik beeinträchtigt, wenn das Unternehmen Rüstungsgüter i.S.d. Teil 1 Abschnitt A der Ausfuhrliste entwickelt, herstellt, modifiziert oder die tatsächliche Gewalt über solche Güter innehat vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 1 AWV-E.

Zusammenfassung

Es bleibt spannend abzuwarten, inwieweit die Stellungnahmen der Unternehmensverbände zu Anpassungen der gem. des Referentenentwurfs zu der 17. AWV-Novelle geplanten Änderungen führen werden. Allerdings ist bereits jetzt klar, dass die Transaktionspraxis immer weiter durch das neu strukturierte Außenwirtschaftsrecht beeinflusst und mit erheblicher Rechtsunsicherheit konfrontiert wird. Denn bis dato mangelt es bezüglich vieler Vorschriften, die bereits durch die im Jahre 2020 umgesetzten Novellen des Außenwirtschaftsrechts geändert wurden, an klaren Maßstäben. Auch mit der bevorstehenden 17. AWV-Novelle dürfte weitere Rechtsunsicherheit einhergehen. Denn Stand jetzt soll sogar die Beantragung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung für meldepflichtige Transaktionen oder für den Fall, dass ein Prüfverfahren nach § 55 Abs. 3 AWV bereits eingeleitet wurde, nicht mehr möglich sein (vgl. § 58 Abs. 3 AWV-E). Bislang war die Beantragung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung ein geeignetes Mittel, um als Unternehmen im Rahmen einer Transaktion auf schnellerem Wege eine verbindliche Auskunft vom BMWi zu erlangen. Gerade in Bezug auf den praxisrelevanten Fall des Erwerbs inländischer Unternehmen aus einem besonders sicherheitsrelevanten Bereich wäre dies so aber nicht mehr möglich, was die zeitliche Planung und Abwicklung der Transaktion erheblich erschwert. Daher müssen die Parteien einer Transaktion künftig umso genauer die mit den erfolgten bzw. geplanten Änderungen einhergehenden investitionsrechtlichen Risiken analysieren, insb. in Bezug auf Meldepflichten, das strafbewehrte Vollzugsverbot und den Zeitplan der Transaktion.

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