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Verschärfung der Wegzugsbesteuerung zum Jahreswechsel

Der Deutsche Bundestag hat am 21. Mai 2021 das Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetzes) beschlossen. Die Zustimmung des Bundesrates erfolgte am 25. Juni 2021.

Die aus praktischer Sicht bedeutendste Verschärfung ergibt sich dabei im Bereich der Wegzugsbesteuerung nach § 6 Außensteuergesetz, nach der u.a. ein Umzug ins Ausland mit Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht zu einer fiktiven Veräußerung von wesentlichen Beteiligungen in Kapitalgesellschaften und zu einer entsprechenden Besteuerung führt. Insbesondere wird ab dem 1. Januar 2022 die bisher gewährte, zinslose und unbefristete Stundung bei Wegzug innerhalb des EU-/EWR-Raums abgeschafft und durch die Möglichkeit einer siebenjährigen Ratenzahlung ersetzt.

1. Änderung des Betrachtungszeitraums

Nach derzeitiger Rechtslage sind von der Wegzugsbesteuerung natürliche Personen betroffen, welche in den letzten fünf Jahren zu mindestens 1 Prozent an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligt waren (wesentliche Beteiligung), und die insgesamt seit mindestens zehn Jahren in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind. Der Zehnjahreszeitraum muss hierbei nicht ununterbrochen bestanden haben. Vielmehr sind Zeiträume der unbeschränkten Steuerpflicht bei einer etwaigen zwischenzeitlichen beschränkten Steuerpflicht zusammenzurechnen und dies auch unabhängig davon, wie lange diese Zeiträume zurückliegen.

Sofern diese Personen dann dauerhaft ins Ausland ziehen, gelten die Anteile dann im Wegzugszeitpunkt als zum gemeinen Wert verkauft, so dass es potenziell zur Besteuerung eines (fiktiven) Veräußerungsgewinns kommt.

Die Neuregelung sieht eine Verkürzung des Zeitraumes der vor dem Wegzug erforderlichen unbeschränkten Steuerpflicht von zehn auf sieben Jahre vor. Danach kommt es zukünftig nur dann zu einer Besteuerung eines fiktiven Veräußerungsgewinns, wenn die natürliche Person innerhalb der letzten zwölf Jahre vor dem Wegzug aus Deutschland mindestens sieben Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war. Die Vorschrift wird durch die Verkürzung des maßgeblichen Beobachtungszeitraums von zwölf Jahren zwar einfacher administrierbar. In Zuzugskonstellationen, in denen die Inhaber der wesentlichen Beteiligung nicht ohnehin schon lange (i. d. R. seit Kindertagen) in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind, greift die Wegzugsteuer allerdings künftig deutlich schneller. Im Einzelfall kann sich durch diese Änderung des Betrachtungszeitraums jedoch auch ein unerwartetes Fenster für einen unbesteuerten Wegzug ergeben.

2. Wegfall der „Ewigkeitsstundung“

Nach aktueller Rechtslage wird bei einem Wegzug innerhalb der EU/EWR von Amts wegen eine unbegrenzte Stundung ohne Sicherheitsleistung nach § 6 Abs. 5 AStG gewährt. Hierdurch bleibt der Wegzug des Gesellschafters zunächst steuerlich unbelastet, erst bei einer tatsächlichen Veräußerung der Beteiligung und damit im Zeitpunkt eines tatsächlichen Liquiditätszuflusses. Neben der Veräußerung endet die Stundung auch bei verdeckter Einlage der Anteile in eine Kapitalgesellschaft oder bei einem weiteren Umzug in ein Nicht-EU-Land (Drittstaat).

Bei Umzügen in Drittstaaten besteht kein Anspruch auf die zinslose Ewigkeitsstundung, in diesen Fällen wird lediglich eine verzinsliche Stundung und Zahlung der Steuer in fünf Raten gegen Sicherheitsleistung gewährt, wenn die alsbaldige Einziehung mit erheblichen Härten verbunden wäre.

Die Neuregelung zur Wegzugsbesteuerung sieht demgegenüber eine gravierende Verschärfung vor: Die Unterscheidung zwischen Wegzügen von EU-/EWR-Bürgern in andere EU-/EWR-Staaten einerseits und Wegzügen von Staatsangehörigen von Drittstaaten sowie Wegzügen in Drittstaaten andererseits wird aufgegeben (sog. „One-Fits-All-Lösung“), sodass die Steuer grundsätzlich sofort fällig wird. Auf Antrag besteht die Möglichkeit, die Steuer in sieben gleich hohen Jahresraten (zinsfrei) zu bezahlen, wenn der Steuerpflichtige dafür eine Sicherheit an das Finanzamt leistet. Eine dauerhafte Stundung der Steuer wird nicht mehr möglich sein. Dies bedeutet eine definitiv eintretende Liquiditätsbelastung ohne Einkünftezufluss.

3. Anpassung der Rückkehrregelung

Die aktuelle Regelung sieht vor, dass bei einer lediglich vorübergehenden Abwesenheit nach Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht (Wegzug) der Steueranspruch rückwirkend entfällt, soweit der Steuerpflichtige innerhalb von fünf Jahren seit Wegzug wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird (Rückkehr) und u. a. die Gesellschaftsanteile während seiner Abwesenheit nicht zwischenzeitig veräußert worden sein sollten. Das bisher zuständige Wohnsitzfinanzamt kann diese Frist um höchstens weitere fünf Jahre, mithin auf maximal zehn Jahre, verlängern, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass berufliche Gründe für seine Abwesenheit maßgebend sind und seine Rückkehrabsicht unverändert fortbesteht. Bei Wegzügen von EU-/EWR-Bürgern innerhalb des EU-/EWR-Raums bestand die Rückkehrmöglichkeit mit Wegfall der Besteuerung bislang zeitlich unbegrenzt.

§ 6 Abs. 3 AStG n. F. weitet die Rückkehrerregelung zugunsten des Steuerpflichtigen aus. Wie bisher entfällt der Steueranspruch bei Rückkehr, allerdings ist die Rückkehrfrist nun auf sieben Jahre erweitert worden. Die Verlängerungsoption um weitere fünf Jahre – mithin maximal zwölf Jahre – bleibt bestehen, auf eine erhöhte Nachweispflicht zur Rückkehrabsicht wird verzichtet, womit die bisher erforderliche „Glaubhaftmachung“ der Rückkehrabsicht entfällt. Auf berufliche Gründe für eine Abwesenheit kommt es ebenfalls nicht mehr an. Nach der Gesetzesbegründung soll die bloße Absicht zur Rückkehr und eine „hinreichende Wahrscheinlichkeit“ genügen. Mit Rücksicht auf den insoweit unveränderten Wortlaut des Gesetzes sowie die in sich widersprüchliche Gesetzesbegründung ist allerdings zu befürchten, dass die Finanzverwaltung weiter ein Vorliegen der Rückkehrabsicht bereits bei Wegzug fordern wird. Wegzüglern ist daher dringend zu empfehlen, eine solche Absicht auch künftig zeitnah bei Wegzug zu dokumentieren, wenn sie bei späterer Rückkehr von dem Wegfall der Steuer profitieren möchten.

4. Handlungsempfehlung: Umgehender Umzug zum Jahresende 2021 oder Strategien zur Begrenzung der Wegzugsteuer

Mit dem verabschiedeten ATAD-Umsetzungsgesetz wird die Wegzugsbesteuerung deutlich verschärft. Sofern bereits die Absicht besteht, in einen EU-/EWR-Staat umzuziehen, wäre es von Vorteil diesen Plan bis zum Jahresende umzusetzen, da das bisherige Recht – mit der zinslosen Stundung der Steuer ohne Sicherheiten für den Fall des Wegzugs eines EU-/EWR-Bürgers in ein EU-/EWR-Land – noch auf alle bis zum 31.12.2021 umgesetzten Wegzüge anzuwenden ist.

Auch bei einem Wegzug nach dem Jahreswechsel kann eine Wegzugsbesteuerung noch durch sinnvolle Vorbereitung vermieden werden. Hierfür sollte ein sorgfältig auf den konkreten Fall zugeschnittenes Konzept zugrunde gelegt werden. Wir beraten Sie gern.

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