Steht Maskenverweigerern Arbeitslohn zu?
Einer vom Arbeitgeber auf Grundlage der geltenden gesetzlichen Bestimmungen verhängten betrieblichen Maskenpflicht ist grundsätzlich Folge zu leisten. Jedenfalls nicht hinreichend medizinisch begründete Weigerungen führen dazu, dass Arbeitnehmer ihren Vergütungsanspruch verlieren. Dies entschied das Arbeitsgericht Hannover mit Urteil vom 22.07.2021 (Az. 2 Ca 108/21).
Sachverhalt
Dem Urteil des Arbeitsgerichts Hannover liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger ist Produktionsmitarbeiter bei der Beklagten, in deren Betrieb eine Vielzahl pandemiebedingter Handlungsanweisungen gelten. Im Einvernehmen mit dem Betriebsrat aktualisiert die Beklagte ihre Anweisungen regelmäßig entsprechend der aktuellen Entwicklung der Covid-19-Pandemie und der sich ändernden Rechtslage. So verpflichtete die Beklagte ihre Mitarbeiter unter anderem, außerhalb von „grünen“ Arbeitsplätzen, d.h. Arbeitsplätzen mit einem Abstand von mehr als als 1,5 Metern, konsequent Mund-Nasen-Schutzmasken auf dem gesamten Betriebsgelände zu tragen. Dies galt sowohl für den Weg zum Arbeitsplatz innerhalb des Betriebsgeländes als auch für die sich im Gelände befindenden Verkehrsflächen. Eine Befreiung von der Maskenpflicht ließ die Beklagte nur aus gesundheitlichen Gründen zu und verwies hierfür auf den Betriebsarzt. Der Kläger allerdings weigerte sich die Weisung umzusetzen. Er legte zur Begründung privatärztliche Atteste vor, aus denen sich ergab, dass er „aus gesundheitlichen Gründen“ vom Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes zu befreien sei. Die Beklagte weigerte sich, die Atteste zu akzeptieren und den Kläger ohne das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes zu beschäftigen. Auch stoppte sie die Auszahlung der vertraglichen Vergütung an ihn. Hiergegen wehrte dich der Kläger: Die Beklagte sei zur Annahme seiner Dienste auch ohne das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung verpflichtet und müsse ihn trotz nicht erbrachter Arbeitsleistung bezahlen. Die Beklagte berief sich demgegenüber auf ihr arbeitsvertragliches Weisungsrecht. Sie bewertete das Angebot des Klägers, seine Arbeitsleistung ohne Mund-Nasen-Schutz zu erbringen, zudem als nicht zumutbar. Das vorrangige Interesse ihrerseits an einem größtmöglichen Schutz der Belegschaft vor Infektionen sei Anlass genug, das sie nicht zur Annahme des Arbeitsangebots des Klägers verpflichtet sei – zumal der Kläger an seinem „grünen“ Arbeitsplatz keine Maske tragen müsse.
Entscheidungsgründe
Das Arbeitsgericht Hannover schloss sich der Sichtweise der Beklagten an und wies die Klage ab. Die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes außerhalb „grüner“ Arbeitsplätze auf dem Betriebsgelände erachtete die Kammer als vom arbeitgeberseitigen Direktionsrecht gedeckt. Nach § 106 GewO könne der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung sowie die Ordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb nach billigem Ermessen näher bestimmen. Die Grenzen billigen Ermessens habe die Beklagte eingehalten, indem sie die gesetzlichen und arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften auf zulässige Weise konkretisiert habe. Der Kläger habe demgegenüber nicht ausreichend nachgewiesen, dass ihm das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes tatsächlich aus gesundheitlichen Gründen unmöglich oder unzumutbar gewesen sei. Den von ihm vorgelegten privatärztlichen Attesten, so das Gericht, lasse sich nichts weiter als die allgemeine Aussage entnehmen, der Kläger müsse aus gesundheitlichen Gründen vom Tragen einer Gesichtsmaske befreit werden. Dass die Maskenpflicht aufgrund konkreter und nachvollziehbarer Angaben für ihn völlig ausgeschlossen sei, sei den Attesten gerade nicht zu entnehmen. Es fehle den ärztlichen Bescheinigungen an dem erforderlichen Beweiswert dahingehend, dass der Kläger während in der Regel nur kurzer Aufenthalte im Flur, im Pausenraum oder auf der Toilette zwingend keine Maske tragen dürfe. Derzeit keine Ausnahme von der Maskenpflicht zuzulassen, sei schon allein aufgrund der vom Arbeitgeber zu tragenden Haftungsrisiken nicht zu beanstanden.
Hinweise für die Praxis
Das Urteil liegt auf einer Linie mit verschiedenen, seit Beginn der Pandemie ergangenen instanzgerichtlichen Entscheidungen. Unter anderem urteilte das Arbeitsgericht Köln in seiner Entscheidung vom 17. Juni (12 Ca 450/21), dass die außerordentliche fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers sozial gerechtfertigt ist, wenn dieser sich trotz vorheriger Abmahnung weigert, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Insgesamt zeigt die Tendenz der Rechtsprechung deutlich, dass Maskenverweigerer regelmäßig mit erheblichen rechtlichen Konsequenzen zu rechnen haben – den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses eingeschlossen. Für Arbeitgeber ist die insoweit zunehmend entstehende Rechtssicherheit zu begrüßen. Sie können auf der Grundlage der geltenden gesetzlichen Bestimmungen ihre Belegschaft vor Covid-19 schützen, indem sie Anordnungen zur Maskenpflicht auf dem Betriebsgelände treffen und konsequent umsetzen. Ein allgemein bestehendes Fragerecht zum Impfstatus von Arbeitnehmern hätte dieses nachvollziehbare Ansinnen sicher gefördert. Dies ist gleichwohl derzeit nicht vorgesehen.
30. September 2021