Unwirksamkeit von Vereinbarung zur Begrenzung der Geschäftsführerhaftung
Werden nach Eintritt der Insolvenzreife noch Zahlungen für die Gesellschaft getätigt, haftet die Geschäftsführung hierfür. Diese Haftung kann vorab weder ausgeschlossen noch begrenzt werden und zwar auch dann nicht, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter der Vereinbarung zugestimmt hat.
Hintergrund
Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beklagte als Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin des insolventen Unternehmens („Schuldnerin“) hatte der Schuldnerin mehrere besicherte Darlehen ausgegeben. Nach anhaltender Krise stellte die Schuldnerin im April 2015 Insolvenzantrag, woraufhin der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt wurde. Noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens schlossen Schuldnerin und Beklagte unter Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters eine Vereinbarung, mit der die Beklagte u.a. auf Sicherungsrechte verzichtete, deren Bestellung nach Ansicht des vorläufigen Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren anfechtbar war. Gleichzeitig erklärte die Schuldnerin, dass für den Fall einer Haftung der Beklagten nach § 64 S. 1 GmbH a.F. (Haftung für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife), der Haftungsanspruch um den Wert der Sicherungsrechte zu mindern sei, auf die die Beklagte mit der Vereinbarung verzichtet hatte. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verlangte nun der klagende Insolvenzverwalter die Zahlung von etwa 570.000 Euro aufgrund Haftung für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife, § 64 S. 1 GmbHG a.F. und stützte sich dabei auf die Ansicht, dass der Wert der Sicherungsrechte, auf die die Beklagte verzichtet hatte, nicht in Abzug zu bringen sei.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20.04.2021, Az. II ZR 387/18
Der Bundesgerichtshof (BGH) gab dem Kläger letztendlich Recht und entschied, dass die Vereinbarung zur Begrenzung des etwaigen Haftungsanspruchs nach § 64 S. 1 GmbHG a.F. unwirksam sei; und zwar auch dann, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter der Vereinbarung zugestimmt habe. Denn auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter, auf den die Verwaltungs- und Verwertungsbefugnis noch nicht übergegangen ist (sog. „schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter“), gelte das gesetzliche Verzichts- und Vergleichsverbot. Nach diesem Verbot kann die Gesellschaft nicht auf Ersatzansprüche verzichten oder sich hierüber vergleichen, soweit der Ersatzanspruch zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist.
Praxishinweis
Die Haftung für Zahlungen nach Insolvenzreife führt regelmäßig zu hohen Haftungsansprüchen gegenüber dem Geschäftsführer. Hintergrund der Regelung ist, dass der Geschäftsführer mit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (bzw. Überschuldung) zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet ist. Tut er dies nicht rechtzeitig, haftet er für alle Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzreife noch getätigt werden. Da dieser Haftungsanspruch letztendlich dazu dient, einen etwaigen Schaden der Gläubiger auszugleichen, sieht das Gesetz vor, dass die Gesellschaft auf den Haftungsanspruch nicht verzichten oder diesen begrenzen kann (sog. Verzichts- und Vergleichsverbot). Anders ist dies erst im eröffneten Insolvenzverfahren. Denn der Insolvenzverwalter hat seine Handlungen ausschließlich am Gläubigerinteresse auszurichten und kann hierzu auch Vereinbarungen treffen (z.B. um ein mögliches Prozessrisiko auszuschließen).
Mit dem jetzigen Urteil hat der BGH entschieden, dass im sog. Eröffnungsverfahren, somit in der Zeit zwischen Insolvenzantragstellung und Eröffnung des Insolvenzverfahrens, das Verzichts- und Vergleichsverbot weiterhin gilt; zumindest wenn vom Insolvenzgericht ein sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wurde und das insolvente Unternehmen daher nur unter Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters handeln kann.
Die Entscheidung erging vorliegend zwar noch zum alten Recht (die Haftung für Zahlungen nach Insolvenzreife wurde zum 01.01.2021 neu geregelt und findet sich nun einheitlich in § 15b InsO). Allerdings hat der BGH gleich mit ausgeführt, dass auch für die neue Rechtslage keine andere Bewertung zu erfolgen habe. Die Entscheidung wird daher auch für den jetzigen § 15b InsO relevant bleiben. Für Geschäftsführer zeigt die Entscheidung einmal mehr, dass das persönliche Haftungsrisiko bei verspäteter Insolvenzantragsstellung immens sein kann. In der Krise sollte daher die Liquidität engmaschig überwacht werden, so dass die Geschäftsleitung in der Lage ist rechtzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen oder ggf. Insolvenzantrag zu stellen; denn eine Begrenzung der immensen Haftungsrisiken ist kaum möglich.
12. Juli 2021