Eilrechtsschutz gegen Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste bei Startups
Gegen die Einreichung einer neuen Gesellschafterliste nach Einziehung ihrer Geschäftsanteile können sich GmbH-Gesellschafter im einstweiligen Rechtsschutz wehren. Gerade bei Startups – das zeigt eine neue Entscheidung des OLG München – kann es wichtig sein, durch eine einstweilige Verfügung die eigene Rechtsposition zu sichern.
Zum Sachverhalt
In dem vom OLG München entschiedenen Fall ging es um die gerichtliche Untersagung der Hinterlegung einer neuen Gesellschafterliste im Wege des Eilrechtsschutzes.
An einer GmbH, die als Startup gegründet worden war, waren neben der ursprünglichen Gründungsgesellschafterin (einer GmbH, die noch knapp 12% der Anteile hielt) verschiedene Investoren beteiligt. Der Geschäftsführer der Gründungsgesellschafterin war zunächst auch Geschäftsführer der Startup-GmbH.
Nach einiger Zeit kam es zu Unstimmigkeiten zwischen dem Geschäftsführer und den Investoren. Der Geschäftsführer lud daraufhin sensible Firmendateien auf seinen betrieblichen Laptop und ein Speichermedium herunter, gab diese aber später wieder zurück. In daraufhin abgehaltenen Gesellschafterversammlungen stimmen die Investoren trotzdem für die Abberufung des Geschäftsführers und die außerordentliche Kündigung seines Anstellungsvertrags sowie für die Einziehung der Geschäftsanteile der Gründungsgesellschafterin an der Startup-GmbH.
Die Gründungsgesellschafterin wandte sich daraufhin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Einziehung ihrer Geschäftsanteile. Sie beantragte die Unterlassung der Einreichung einer neuen Gesellschafterliste der Startup-GmbH (bzw. die Hinterlegung einer korrigierten Liste, wenn eine Einreichung bereits erfolgt sei) und ihre Fortbehandlung als Gesellschafterin. Gegen die Entscheidung des Landgerichts, das den Erlass der einstweiligen Verfügung abgelehnt hatte, legte sie sofortige Beschwerde ein.
Das Urteil des OLG München vom 18.05.2021 (Az. 7 W 718/21)
Die sofortige Beschwerde der Gründungsgesellschafterin hatte weitgehend Erfolg. Das OLG München hielt es für glaubhaft, dass der Einziehungsbeschluss rechtswidrig war. Das Herunterladen der Daten könnte zwar die Abberufung und Kündigung des Geschäftsführers rechtfertigen, aber nicht Einziehung der Geschäftsanteile der Gründungsgesellschafterin.
Das Gericht ging zudem von einer Glaubhaftmachung des Verfügungsgrunds – also der besonderen Eilbedürftigkeit – aus. Es legte dabei den Fokus auf die besondere Situation in Startup-Unternehmen. Gerade dort drohe die Gefahr, dass bis zur gerichtlichen Klärung der Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses im Hauptsacheverfahren richtungsweisende Entscheidungen (z.B. über Kapitalmaßnahmen) getroffen würden. Hierüber müsse ein Minderheitsgesellschafter zumindest informiert werden, was aber seine Eintragung in die Gesellschafterliste voraussetze.
Praxishinweis
Bei Gesellschafterstreitigkeiten ist meistens schnelles Handeln geboten. Wenn dort Gesellschafterbeschlüsse zum Ausschluss von Gesellschaftern aus der GmbH bzw. die Einziehung oder Zwangsabtretung ihrer Geschäftsanteile gefasst werden, kann (und wird) der betroffene Gesellschafter gegen diese Beschlüsse zwar Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage erheben – doch die gerichtliche Entscheidung kann Monate oder sogar Jahre dauern. Wird in diesem Zeitraum eine neue Gesellschafterliste beim elektronischen Handelsregister hinterlegt, verliert der Gesellschafter faktisch für längere Zeit seine Gesellschafterrechte. Denn: Nur, wer in die beim Handelsregister hinterlegte Gesellschafterliste aufgenommen ist, gilt im Verhältnis zur Gesellschaft als Gesellschafter und ist damit zur Ausübung von Gesellschafterrechten (z.B. Stimm-, Teilnahme-, Rede- und Einsichtsrechten) befugt (§§ 16, 40 GmbHG, sog. Legitimationswirkung der Gesellschafterliste). Dies gilt selbst dann, wenn die Gesellschafterliste falsch ist.
Um diesen Rechtsverlust zu vermeiden, kann der Gesellschafter im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die GmbH vorgehen und damit erreichen, dass vorläufig keine neue Gesellschafterliste eingereicht wird bzw. eine eingereichte Gesellschafterliste korrigiert wird. Dafür muss der Gesellschafter allerdings einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund glaubhaft machen. Das heißt: Er muss das Gericht davon überzeugen, dass der Einziehungs- oder Zwangsabtretungsbeschluss unwirksam ist (Verfügungsanspruch) und ihm außerdem durch die Hinterlegung einer geänderten Gesellschafterliste wesentliche Nachteile entstehen würden und er den Ausgang des Hauptsacheverfahrens deswegen nicht abwarten kann (Verfügungsgrund).
Gerade hinsichtlich des Verfügungsgrundes war die Rechtsprechung in den vergangenen Jahren großzügig und hielt häufig die Gefahr, wegen der Legitimationswirkung der Gesellschafterliste die Befugnis zur Ausübung von Gesellschafterrechten allgemein zu verlieren, für hinreichend (siehe z.B. OLG München, Urteil vom 02.12.2020, Az. 7 U 4305/20). Das OLG München legte nun ein Augenmerk auf die besondere Situation bei Startups. Zu Recht weist es darauf hin, dass gerade bei diesen Gesellschaften in der Anfangsphase bedeutende Entscheidungen in schneller Folge gefasst werden und es deswegen für einen möglicherweise ausgeschlossenen Gesellschafter besonders misslich wäre, seine Gesellschafterrechte – und seien es bei einer Minderheitsbeteiligung „nur“ die Informationsrechte – vorläufig zu verlieren. Wer als Gesellschafter in einer Startup-Konstellation vom Ausschluss aus der Gesellschaft bedroht ist, hat deswegen einen Grund (und ein Argument) mehr, im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegen etwaige Einziehungs- oder Zwangsabtretungsbeschlüsse vorzugehen.
19. Juli 2021