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DSGVO-Bußgeldverfahren gegen Deutsche Wohnen wegen gravierender Mängel eingestellt

Das Landgericht Berlin hat mit Beschluss vom 18.02.2021 – (526 OWi LG) 212 Js-OWi 1/20 (1/20) – das datenschutzrechtliche Bußgeldverfahren gegen die Immobiliengesellschaft Deutsche Wohnen SE eingestellt. Das Verfahren ist von grundsätzlicher Bedeutung für die weitere Bußgeldpraxis der deutschen Aufsichtsbehörden.

Hintergrund

Die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BlnBDI) hatte der Deutschen Wohnen bereits im Jahr 2017 vorgeworfen, personenbezogene Daten von Mieterinnen und Mietern wie Gehaltsbescheinigungen, Selbstauskunftsformulare, Steuer-, Sozial- und Krankenversicherungsangaben sowie Kontoauszüge in einem elektronischen Archivsystem gespeichert zu haben, bei dem nicht überprüft werden könne, ob eine erfolgte Speicherung zulässig oder erforderlich sei und bei dem nicht mehr erforderliche Daten nicht gelöscht werden könnten, obgleich dies nach den geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu erfolgen habe. Die Deutsche Wohnen wurde daher aufgefordert, eine Vielzahl von Dokumenten aus dem elektronischen Archivsystem zu löschen. Trotz der Beanstandungen erfolgte eine solche Löschung indes nicht, sodass im Herbst 2019 der Bußgeldbescheid über 14,5 Millionen Euro erlassen wurde.

Entscheidung

Nach Ansicht des Landgerichts Berlin besteht ein Verfahrenshindernis, da der Bescheid unwirksam sei. Die Deutsche Wohnen sei als juristische Person nicht taugliche Betroffene in einem Bußgeldverfahren, da nur eine natürliche Person eine Ordnungswidrigkeit vorwerfbar begehen könne.

Die Verhängung einer Geldbuße gegen juristische Personen ist in § 30 OWiG geregelt; die Vorschrift findet auch im Datenschutzrecht Anwendung. Danach kann entweder in einem einheitlichen Verfahren gegen die juristische Person eine Geldbuße festgesetzt werden, wenn wegen der Tat eines Organmitglieds oder Repräsentanten, also einer natürlichen Person, gegen diese ein Bußgeldverfahren durchgeführt wird, oder aber nach § 30 Abs. 4 OWiG in einem selbständigen Verfahren. Voraussetzung ist in letzterem Fall, dass wegen der Tat des Organmitglieds oder Repräsentanten der juristischen Person ein Verfahren nicht eingeleitet oder ein solches Verfahren eingestellt wird. Auch im selbständigen Verfahren muss nach dem Landgericht Berlin jedoch eine vorwerfbare Ordnungswidrigkeit eines Organmitglieds der juristischen Person festgestellt werden, da die juristische Person selbst eine Ordnungswidrigkeit nicht begehen könne. Das Handeln ihrer Organmitglieder oder Repräsentanten könne der juristischen Person sodann zugerechnet werden.

Entgegen der BlnBDI, die die Auffassung vertrat, dass eine juristische Person im Ordnungswidrigkeitenrecht wie eine natürliche Person behandelt werden könne, fehlte es nach Ansicht des Landgerichts Berlin an ebensolchen Angaben zu der Deutschen Wohnen zurechenbaren Tathandlungen ihrer Organmitglieder oder Repräsentanten in dem streitgegenständlichen Bußgeldbescheid. Dieser sei daher in einem Verfahren ergangen, das im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten nicht vorgesehen und daher nicht zulässig sei.

Ausblick

Das Landgericht Berlin vertritt in dieser Entscheidung eine Sichtweise, die konträr zur Auffassung des Landgerichts Bonn in einem ähnlich gelagerten Verfahren gegen 1&1 (Az. 29 OWi 1/20) ist. Das LG Bonn hatte eine sog. unmittelbare Verbandshaftung juristischer Personen bejaht.

Das vom Landgericht Berlin statuierte Erfordernis einer der juristischen Person zurechenbaren tatbestandlichen Organhandlung erfordert differenzierte Ermittlungen zu den unternehmensinternen Verantwortlichkeiten für die im Einzelfall beanstandeten Verstöße durch die zuständige Aufsichtsbehörde. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin bereits beim Kammergericht Beschwerde eingelegt. Der Ausgang des Verfahrens ist von erheblicher Relevanz für die Bußgeldpraxis der deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden, die nun ihr Vorgehen bei der Erstellung von Bußgeldbescheiden gegen juristische Personen überdenken müssen. Bevor endgültig Rechtssicherheit besteht, ist allerdings nicht auszuschließen, dass zunächst noch der Europäische Gerichtshof im Wege eines Vorlageverfahrens die Gelegenheit erhält, die Frage der unmittelbaren Verbandshaftung juristischer Personen bei Datenschutzverstößen zu klären.

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