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Datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch im Gesundheitswesen

Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch gem. Art. 15 Abs. 3 DSGVO verschafft Patienten eine unentgeltliche, vollständige Kopie ihrer Behandlungsdokumentation. Dies bestätigen die Tätigkeitsberichte der datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden aus den Jahren 2019/2020 und ein aktuelles Urteil des Landgerichts Dresden zum Verhältnis der verschiedenen Rechtsgrundlagen, auf die ein Auskunftsbegehren im Gesundheitswesen grundsätzlich gestützt werden kann.

Verschiedene Rechtsgrundlagen

Patienten haben ein Recht auf Einsicht und Auskunft hinsichtlich der sie betreffenden Behandlungsunterlagen. Dieser Anspruch wird im deutschen Recht aus dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung abgeleitet und ist an mehreren Stellen im Gesetz verankert, so z.B. im Behandlungsvertragsrecht (§ 630g BGB), in mehreren berufsrechtlichen Regelungen und im unionsrechtlichen Datenschutzrecht (Art. 15 Abs. 3 DSGVO). Allerdings unterscheiden sich die verschiedenen Anspruchsgrundlagen in ihrer Reichweite: Während insbesondere im Behandlungsvertragsrecht in erster Linie die bloße Einsicht in die Patientenakte und lediglich entgeltliche, elektronische Abschriften vorgesehen sind, gewährt Art. 15 Abs. 3 DSGVO nach seinem Wortlaut ohne weitere Voraussetzungen die Bereitstellung einer unentgeltlichen Kopie der gesamten Behandlungsdokumentation.

Reichweite von Art. 15 DSGVO

Trotz des grundsätzlich offenen Wortlauts des Art. 15 Abs. 3 DSGVO wird der Umfang des Auskunftsanspruchs von den datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden unterschiedlich beurteilt.

Wenngleich der Begriff der „Kopie“ in Art. 15 Abs. 3 DSGVO nach der (wohl) überwiegenden Auffassung nicht wortwörtlich, sondern in der Regel im Sinne einer bloßen Auflistung der personenbezogenen Daten zu einem Betroffenen zu verstehen ist, soll dieses Verständnis nach dem Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz hinsichtlich besonders geschützter Gesundheitsdaten weiter reichen. Dass sich Art. 15 Abs. 3 DSGVO auf die unentgeltliche Bereitstellung einer vollständigen Kopie der Behandlungsdokumentation erstreckt, ergebe sich aus Erwägungsgrund 63 der DSGVO, in dem Daten in Patientenakten mit Diagnosen, Untersuchungsergebnissen, Befunden der behandelnden Ärzte und Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen explizit genannt sind. Einschränkungen des Auskunftsrechts würden nur dann gelten, wenn dem entweder erhebliche Persönlichkeitsrechte Dritter entgegenstehen oder etwa aus therapeutischen Gründen eine Auskunft zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr für den Betroffenen führen könnte.

Auch nach der saarländischen Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit begründe Art. 15 Abs. 3 DSGVO einen Anspruch auf eine kostenlose Kopie der personenbezogenen Daten, während nach § 630g BGB die Kosten für die Kopie der Behandlungsdokumentation vom Patienten zu erstatten seien. Das Unabhängige Datenschutzzentrum Saarland stellt derzeit bei der Bearbeitung von Anfragen oder Beschwerden in diesem Zusammenhang darauf ab, welches Anliegen der betroffene Patient im konkreten Fall verfolgt. Geht es ihm vorrangig um die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten (z.B. Empfänger, Speicherdauer), werde von einem Auskunftsersuchen nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO ausgegangen. Steht dagegen der Inhalt des Behandlungsverlaufs im Vordergrund, wie z.B. in Fällen, in denen der Patient seine Akte bei einem Wechsel der Praxis zu einem neuen Arzt mitnehmen möchte und deshalb eine vollständige Kopie benötigt, sei § 630g BGB einschlägig.

Der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit hingegen sieht die Herausgabe einzelner Kopien, z.B. im Sinne einer Fotokopie bestimmter Dokumente, nicht als vom Auskunftsanspruch gem. Art. 15 Abs. 3 DSGVO umfasst. Der Kopie-Begriff der Vorschrift sei vielmehr im Sinne einer sinnvoll strukturierten Zusammenfassung zu verstehen. Dafür spreche bereits der Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 DSGVO, der von einer Kopie der „personenbezogenen Daten“ und gerade nicht von einer Kopie der Unterlagen spreche. Es müsse daher grundsätzlich zur Erfüllung des Anspruchs ausreichen, wenn die in Erwägungsgrund 63 der DSGVO genannten Daten vom Verantwortlichen zusammengefasst werden. Aus Praktikabilitätsgründen dürften sich die Verantwortlichen insoweit aber auch für die Herausgabe von gesamten Dokumenten entscheiden, wie z.B. für die Herausgabe eines Arztbriefs, der die Behandlung eines mehrtägigen Krankenhausaufenthalts zusammenfasst inklusive aller Befunde und Diagnosen. Die Kopie der gesamten Krankenhausakte des Patienten sei indes nur nach § 630g BGB herauszugeben.

Entscheidungen des Landgerichts Dresden und des Bundesarbeitsgerichts

In einem vom Landgericht Dresden mit Urteil vom 29.05.2020 – Az. 6 O 76/20 entschiedenen Verfahren machte die Klägerin Auskunftsansprüche gegen die Beklagte nach einer Behandlung im Krankenhaus der Beklagten geltend. Das Gericht gab dem Auskunftsbegehren – in Übereinstimmung mit den o.g. Auffassungen der Datenschutzbeauftragten aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland – statt und entschied, dass die erstmalige Herausgabe von Kopien der Behandlungsakte an Patienten unentgeltlich erfolgen müsse. Ein Vorrangverhältnis könne die Vorschrift des § 630g BGB als Regelung auf nationaler Ebene gegenüber der europarechtlichen Regelung des Art. 15 Abs. 3 DSGVO nicht enthalten. Der Unentgeltlichkeit des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO stehe daher nicht entgegen, dass bei einer Anforderung nach § 630g BGB auch für die Erstauskunft eine Kostentragung vorgesehen sei.

Auch der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte sich nach einer aktuellen Pressemitteilung in einem aktuellen Urteil vom 27.04.2021 – 2 AZR 342/20 mit dem datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch zu beschäftigen. Der Kläger war bei der Beklagten als Wirtschaftsjurist beschäftigt und verlangte nunmehr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses von dieser u.a. Auskunft über seine von der Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten sowie die Überlassung einer Kopie dieser Daten. Das Landesarbeitsgericht entschied in der Vorinstanz, dass der Kläger zwar einen Anspruch auf Erteilung einer Kopie seiner personenbezogenen Daten habe, die Gegenstand der Auskunft der Beklagten waren, nicht aber auf die darüber hinaus verlangten Kopien seines E-Mail-Verkehrs sowie der E-Mails, die ihn namentlich erwähnen. Das Bundesarbeitsgericht konnte zwar letztlich offenlassen, ob die Erteilung einer Kopie von E-Mails vom Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO umfasst ist. Die Entscheidung unterstreicht jedoch die erhebliche praktische Relevanz des Auskunftsanspruchs und dürfte angesichts der zunehmend zu Art. 15 Abs. 3 DSGVO geführten Verfahren weitere Entwicklungen in der Rechtsprechung nach sich ziehen, die auch und gerade Implikationen auf den Auskunftsanspruch im Gesundheitswesen erwarten lassen.

Anmerkungen

Ärzte und andere Angehörige von Heilberufen, die Patientenakten führen, sollten interne Abläufe implementieren, die die vollständige Auskunftserteilung innerhalb der gesetzlichen Frist (ein Monat) sicherstellen können. Angesichts der sich häufenden Auskunftsbegehren in den vergangenen zweieinhalb Jahren erscheint das individuelle Zusammentragen der erforderlichen Informationen als zu mühsam. Schwierigkeiten ergeben sich, wenn sich in den eigenen Akten noch „Karteileichen“ befinden, die dort überhaupt nicht mehr sein dürften. So kann eine gut gemeinte, vollumfassende Auskunft schnell Lücken bei der Umsetzung des Löschkonzepts offenbaren.

Besondere Vorsicht ist außerdem in dem – äußerst praxisrelevanten – Fall geboten, wenn der Erbe eines Patienten dessen Auskunftsrecht geltend machen möchte, z.B. um nach dem Tod eines Apothekenkunden noch Zuzahlungsbescheinigungen zur Vorlage bei der Krankenkasse oder dem Finanzamt anzufordern. Die DSGVO gilt zwar nicht für die Daten Verstorbener (Erwägungsgrund 27); um als Berufsgeheimnisträger bei der Erfüllung eines solchen Auskunftsanspruchs jedoch nicht gegen die strafbewehrte Schweigepflicht zu verstoßen, gilt es in solchen Fällen den tatsächlich geäußerten oder zumindest den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen zu ermitteln. Dabei ist v.a. der Zweck der gewünschten Auskunftserteilung zu hinterfragen.

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