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Selbst der einmalige Versuch eines Kusses gegenüber einer Kollegin berechtigt den Arbeitgeber zum Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung

Das LAG Köln hat in seinem Urteil vom 01.04.2021 (Az.: 8 Sa 798/20) entschieden, dass selbst der einmalige Versuch eines Kusses eines Arbeitnehmers gegenüber einer Kollegin eine so schwere Pflichtverletzung darstellt, dass selbst die erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist. Die vom Arbeitgeber ausgesprochene außerordentliche, fristlose Kündigung war damit wirksam.

Sachverhalt

Dem Urteil des LAG Köln liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war seit ca. 25 Jahren bei der Beklagten beschäftigt, während die Zeugin L zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Ereignisse erst ca. zwei Wochen für die Beklagte tätig war. Im September 2019 fand eine zweitätige Teamklausur des Teams, der u.a. der Kläger und die Zeugnis L angehörten, statt. Am Abend nahmen die Teilnehmer an einem Kochevent teil. Danach fanden sich noch etliche Teilnehmer in der Hotelbar ein. Während des Aufenthalts in der Hotelbar gingen alle Teilnehmer immer wieder nach draußen, um zu rauchen und sich zu unterhalten. Der Kläger, die Zeugin L und die Zeugin B waren gegen 3.45 Uhr die letzten Teilnehmer in der Hotelbar.

Der Verlauf des Abends war im Einzelnen streitig. Letztlich erachtete das LAG Köln aber die die Zeugin L als glaubwürdig und ihre Ausführungen als glaubhaft, die geschildert hatte, dass es bereits am späteren Abend zu ersten Annäherungsversuchen des Klägers kam. So habe der Kläger versucht, das Gesicht der Zeugin L an seins zu ziehen, und er habe sie mehrfach umarmt, was sie als unangenehm empfand. Schließlich habe der Kläger der Zeugin L die Jacke umlegen wollen, was diese abwehrte.

Der Kläger und die Zeugin L verließen mit als letztes die Hotelbar. Im Aufzug soll der Kläger gesagt haben, dass er noch zur Zeugin L aufs Zimmer kommen wolle. Trotzdem die Zeugin dies abgelehnt hatte, sei er ihr bis zur Zimmertür gefolgt. Vor der Zimmertür habe der Kläger die Zeugin L dann zu sich heran gezogen und habe versucht, sie zu küssen. Die Zeugin habe den Kläger wegedrückt und konnte in ihr Hotelzimmer gelangen und es von innen verschließen.

Daraufhin schrieb der Kläger per WhatsApp noch mehrere Nachrichten, aus denen hervorgeht, dass der Kläger gerne noch zur Zeugin L aufs Zimmer gegangen wäre.

Entscheidungsgründe

Das LAG Köln wies die Klage gegen die außerordentliche, fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung zu Recht ab. Das Gericht hat klargestellt, dass wer auf einer dienstlich veranlassten Reise eine Arbeitskollegin gegen ihren Willen zu küssen versucht und küsst, verletze – unabhängig von der Strafbarkeit der Tat wegen sexueller Belästigung – seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgeber Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB), in erheblicher Weise. Ein solches Verhalten sei „an sich“ geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.

Für das LAG Köln hätte der Arbeitgeber auch nicht nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes statt einer außerordentlichen Kündigung eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung aussprechen müssen. Zudem bedurfte es keiner vorherigen Abmahnung, da es sich nach Ansicht des Gerichts um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist.

Ferner sah es das Gericht als erwiesen an, dass der Kläger seine gegenüber der Zeugnis L stärkere Position ausgenutzt habe, da er ihr nicht nur körperlich überlegen war, sondern auch wusste, dass diese erst vor ca. 2 Wochen ihr Beschäftigungsverhältnis bei der Beklagten begründet hatte, sich also noch in der Probezeit befunden hat.

Hinweise für die Praxis

Arbeitgeber brauchen keine Scheu zu haben, wenn sie im Falle sexueller Belästigung hart durchgreifen und im Zweifel zum äußersten Mittel der außerordentlichen, fristlosen Kündigung greifen. Die Gerichte fordern selbst bei „vermeintlich kleineren“ Übergriffigkeiten, wie der Versuch eines Kusses im vorliegenden Fall zeigt, keine vorherige Abmahnung. Selbstverständlich muss aber eine ordnungsgemäße Sachverhaltsaufklärung im Vorfeld erfolgen.

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