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Vorabentscheidung bei Rechtswegrüge

Das LAG Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 16.04.2021 (Az.: 10 Sa 69/20) entschieden, dass die Rüge, der beschrittene Rechtsweg sei unzulässig, nicht zu den verzichtbaren Rügen i.S.d. § 296 Abs. 3 ZPO gehört.

Sachverhalt

Dem Beschluss des LAG Baden-Württemberg liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Einen Tag vor dem Kammertermin hat die Beklagte mit Schriftsatz die „sachliche Zuständigkeit“ des angerufenen Arbeitsgerichts gerügt und die Auffassung vertreten, der Kläger sei tatsächlich freier Mitarbeiter.

Das Arbeitsgericht hat über den Rechtsstreit mit Urteil entschieden und in diesem auch die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs bejaht. Über die Rechtswegzuständigkeit sei nicht nach § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG vorab zu entscheiden gewesen. Die Rüge diene allein zur Prozessverschleppung und sei verspätet im Sinne von §§ 282 Abs. 3, 296 Abs. 3 ZPO. Jedenfalls sei eine offensichtlich unbegründete und außerhalb der Fristsetzung zur Klageerwiderung erfolgende Rechtswegrüge rechtsmissbräuchlich und daher als unbeachtlich zu betrachten.

Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und beantragt, die Klage abzuweisen und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht zurückzuweisen. Auf die Berufung der Beklagten wurde durch das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass der zu den Gerichten für Arbeitssachen beschrittene Rechtsweg zulässig sei.

Entscheidungsgründe

Die Rüge der Beklagten, der Rechtsweg sei nicht eröffnet, sei nicht verspätet.

Nach § 282 Abs. 3 ZPO seien Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, gleichzeitig und „vor seiner Verhandlung zur Hauptsache“ vorzubringen. Damit sei jegliches Vorbringen gemeint, aus dem sich nach Ansicht des Beklagten die Unzulässigkeit der Klage ergeben soll. Darunter würden nicht nur diejenigen Zulässigkeitsvoraussetzungen fallen, die nur auf Einrede des Beklagten zu berücksichtigen sind, sondern auch die von Amts wegen zu prüfenden Fälle.

Die Folge der Verspätung sei demgegenüber nicht in § 282 Abs. 3 ZPO, sondern in § 296 Abs. 3 ZPO geregelt. Es genüge daher nicht, dass die beklagte Partei Zulässigkeitsrügen i.S.d. § 282 Abs. 3 ZPO verspätet rügt, sie müssten darüber hinaus verzichtbar sein. Die Rüge, der beschrittene Rechtsweg sei unzulässig, gehöre jedoch nicht zu den verzichtbaren Rügen i.S.d. § 296 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs hätte daher das Arbeitsgericht aufgrund der Rechtswegrüge der Beklagten und weil es die Rüge nicht als unzulässig verworfen hat, vorab treffen müssen (§ 17a Abs. 3 Satz 2 GVG). Dies sei nun im Berufungsverfahren nachzuholen. Danach sei mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet sei, da zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestehe. Es liege auch keine rechtsmissbräuchliche Rechtswegrüge vor, da eine solche nur in ganz eindeutigen Fällen angenommen werden könne.

Hinweise für die Praxis

Die Rechtswegzuständigkeit ist von Amts wegen zu prüfen. Ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet, ist der Rechtsstreit durch Beschluss an das Gericht des richtigen Rechtswegs zu verweisen.

Eine Vorabentscheidung über die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs kann aber auch dadurch herbeigeführt werden, indem die Parteien diesen nach § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG rügen. Das Gericht ist nach einer solchen Rüge verpflichtet, eine entsprechende Vorabentscheidung ebenfalls durch Beschluss herbeizuführen.

Entscheidet das Arbeitsgericht trotz Rüge einer Partei über die Zulässigkeit des Rechtsweges nicht vorab durch Beschluss, sondern in den Gründen des der Klage stattgebenden Urteils, so kann die beklagte Partei hiergegen wahlweise sofortige Beschwerde oder Berufung einlegen. Dies folgt aus dem Grundsatz der Meistbegünstigung. Denn nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen darf eine Partei durch eine verfahrensfehlerhafte Entscheidung, und zwar sowohl nach der Form (Urteil statt Beschluss) als auch nach dem Inhalt (Hauptsache- statt Vorabentscheidung) keine Nachteile in ihren prozessualen Rechten erleiden (BAG, Urteil vom 26.03.1992 – 2 AZR 443/91).

Wird Berufung eingelegt, so darf das Landesarbeitsgericht den Rechtsstreit nicht an das Arbeitsgericht zurückverweisen, sondern muss über die Zulässigkeit des Rechtsweges selbst entscheiden. Kommt das Landesarbeitsgericht in seiner Vorabentscheidung zur Unzulässigkeit des Rechtswegs, hat es den Rechtsstreit durch Beschluss unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts an das zuständige Gericht des richtigen Rechtsweges zu verweisen.

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