Stefan Daub, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Urlaubsberechnung bei Kurzarbeit

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass wenn aufgrund von Kurzarbeit einzelne Arbeitstage vollständig ausfallen, dies bei der Berechnung des Jahresurlaubs zu berücksichtigen ist.

Sachverhalt

Dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 30.11.2021 (9 AZR 225/21) liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin war bei der Beklagten an drei Tagen wöchentlich beschäftigt. Bei einer Sechstagewoche hätte ihr nach dem Arbeitsvertrag ein jährlicher Erholungsurlaub von 28 Werktagen zugestanden, bei der vereinbarten Dreitagewoche damit von 14 Tagen.

Aufgrund Arbeitsausfalls während der Corona-Pandemie führte die Beklagte Kurzarbeit ein. Die Klägerin war hiernach aufgrund geschlossener Kurzarbeitsvereinbarungen u.a. in den Monaten April, Mai und Oktober 2020 vollständig von der Arbeitspflicht befreit. In den Monaten November und Dezember 2020 arbeitete sie insgesamt nur an fünf Tagen.

Wegen der kurzarbeitsbedingten Arbeitsausfälle nahm die Beklagte eine Neuberechnung des Urlaubs vor. Sie bezifferte den Jahresurlaub der Klägerin für das Jahr 2020 auf 11,5 Tage. Dagegen hat sich die Klägerin gewandt und darauf geklagt, dass die kurzarbeitsbedingt ausgefallenen Arbeitstage urlaubsrechtlich wie Arbeitstage gewertet werden müssten. Die Beklagte sei deshalb nicht berechtigt gewesen, den Urlaub zu kürzen, und für das Jahr 2020 stünden ihr weitere 2,5 Urlaubstage zu.

Das Arbeitsgericht Essen und das Landesarbeitsgericht Düsseldorf haben die Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin beim Bundesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg, der Klägerin steht kein Anspruch auf weitere 2,5 Urlaubstage zu.

Nach § 3 Abs. 1 BUrlG beläuft sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche auf 24 Werktage. Ist die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, ist die Anzahl der Urlaubstage grundsätzlich unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus zu berechnen, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten: 24 Werktage x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage (52 Wochen x 6 Werktage).

Bei der vertraglichen Dreitagewoche der Klägerin errechnete sich zunächst ein Jahresurlaub von 14 Urlaubstagen: 28 Werktage x 156 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage. Der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage rechtfertigt nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs, da Arbeitstage, die aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit ausfallen, weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen sind. Der Urlaubsanspruch der Klägerin aus dem Kalenderjahr 2020 übersteigt deshalb nicht die von der Beklagten berechneten 11,5 Urlaubstage. Wenn nur die drei vollen Monate, in denen die Arbeit ausgefallen ist, berücksichtigte werden, steht der Klägerin lediglich ein Urlaubsanspruch von 10,5 Urlaubstage zu (28 Werktage x 117 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage).

Hinweise für die Praxis

Mit weiterer Entscheidung vom 30.11.2021 hat das Bundesarbeitsgericht bestätigt, dass die vorstehenden Grundsätze zur Urlaubsberechnung bei Kurzarbeit auch Anwendung finden, wenn die Kurzarbeit aufgrund einer Betriebsvereinbarung wirksam eingeführt worden ist (9 AZR 234/21, Vorinstanz Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, 03.05.2021, 9 Sa 1/21).

Ob diese Grundsätze auch in dem Fall gelten, wenn der Arbeitgeber gestützt nur auf eine vertragliche Klausel im Arbeitsvertrag einseitig Kurzarbeit anordnet, bleibt abzuwarten. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg ließ dies in seiner Entscheidung vom 03.05.2021 ausdrücklich offen, da es hierauf im entschiedenen Fall nicht ankam.

Das Bundesarbeitsgericht führt im Ergebnis mit den beiden Entscheidungen seine neuere Rechtsprechung konsequent und überzeugend fort (vgl. zuvor 19.03.2019 (9 AZR 406/17) zu Sonderurlaub und 24.09.2019 (9 AZR 481/18) zur Altersteilzeit). Der gesetzliche Urlaubsanspruch ist hiernach jahresbezogen zu ermitteln (§ 3 Abs. 1 BUrlG). Abzustellen ist dabei grundsätzlich auf die für das gesamte Urlaubsjahr arbeitsvertraglich vorgesehene Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage. Der Berechnung der Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 3 Abs. 1 BUrlG muss stets die Klärung vorausgehen, an wie vielen Tagen der Woche der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet ist. Dabei ist grundsätzlich von der im Arbeitsvertrag vorgesehenen Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage auszugehen. Änderungen der Verteilung der Arbeitszeit innerhalb eines Kalenderjahres sind zu berücksichtigen. Bei einem unterjährigen Wechsel der Anzahl der Arbeitstage ist der Gesamtjahresurlaubsanspruch für das betreffende Kalenderjahr unter Berücksichtigung der einzelnen Zeiträume der Beschäftigung und der auf sie entfallenden Wochentage mit Arbeitspflicht umzurechnen, und zwar muss die Urlaubsdauer deshalb unter Umständen auch mehrfach während eines Kalenderjahres berechnet werden (BAG 19.03.2019, 9 AZR 406/17).

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