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Unwirksamkeit einer Rückzahlungsklausel

Das LAG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 23.04.2021 (Az.: 12 Sa 1122/20) entschieden, dass eine Rückzahlungsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wegen gewährter Sondervergütungen, die dort unter den Vorbehalt bei Beendigung bestehender anderslautender betrieblicher Regelungen gestellt ist, gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstößt, weil sie unklar lässt, welche Festlegungen aus welchen Quellen die Rückzahlungspflicht nach ihren Voraussetzungen verändern und auch verschlechtern können.

Sachverhalt

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte auf der Grundlage eines arbeitsvertraglich vereinbarten Rückzahlungsvorbehalts ein zuvor von ihr geleistetes Urlaubsgeld von dem Gehalt der Klägerin Abzug bringen durfte.

In dem in der Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) zwischen den Parteien vereinbarten schriftlichen Arbeitsvertrag ist geregelt, dass etwaige „Sonderzahlungen von mehr als EUR 150,00 […] in voller Höhe als Vorschuss sofort zurückzuzahlen [sind], wenn das Arbeitsverhältnis durch Kündigung seitens des Arbeitnehmers oder durch eine von dem Arbeitnehmer veranlasste Kündigung des Arbeitgebers vor dem Ablauf des dritten auf die Zahlung der Sondervergütung folgenden Kalendermonats endet, sofern nicht anderslautende betriebliche Regelungen bestehen“.

Nachdem die Beklagte mit dem Entgelt für Juni 2019 gegenüber der Klägerin ein Urlaubsgeld abgerechnet und ausgezahlt hatte, endete infolge ordentlicher Kündigung der Klägerin zum 15. August 2019 das Arbeitsverhältnis.

In der Abrechnung für August 2019 gewährte die  Beklagte zwar das Entgelt für diesen Monat, nahm jedoch auch einen Einbehalt wegen „Urlaubsgeld“ in Höhe der für Juni als Urlaubsgeld gewährten Bruttozahlung vor.

Das Arbeitsgericht hat die Klage der Klägerin auf Auszahlung des Einbehalts als unbegründet abgewiesen. Die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht hatte überwiegend Erfolg.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des LAG könne die Klägerin von der Beklagten die eingeklagte Zahlung als weiteres Entgelt für August 2019 beanspruchen. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung über die Rückzahlung von Sonderzahlungen als Vorschuss sei nicht klar und verständlich und deshalb wegen Verletzung des Transparenzgebots aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

Zwar sei der Beklagten zuzugestehen, dass die ersten Teilsätze von § 5 Abs. 3 Arbeitsvertrag bezüglich Sonderzahlungen klar und verständlich eine Rückzahlungspflicht als Vorschuss regeln würden. Denn es werde deutlich, dass Sonderzahlungen erfasst sein sollen, und dass die Rückzahlungspflicht durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf einer bestimmten Frist nach Zahlung der Sondervergütung ausgelöst werde, wenn die Beendigung auf näher bestimmte Gründe zurückgeht.

Jedoch werde durch die im letzten Halbsatz formulierte Einschränkung „sofern nicht anderslautende betriebliche Regelungen bestehen“ diese Klarheit weitgehend beseitigt. Ausgehend von den Verständnismöglichkeiten einer durchschnittlichen Arbeitnehmerin oder eines durchschnittlichen Arbeitnehmers werde nicht hinreichend klar, durch welche Festlegungen aus welchen Quellen in welchen Grenzen eine ggf. verschlechternde Änderung der Rückzahlungspflicht erfolgen könne.

Da betriebliche Regelungen kein Rechtsbegriff sei, für dessen Präzisierung auf gesetzliche Bestimmungen zurückgegriffen werden könne, seien hiervon nicht nur Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge erfasst, sondern auch Regelungsinstrumente wie Gesamtzusagen und betriebliche Übung. Letztlich sei es nach dem Wortsinn nicht ausgeschlossen, dass sogar vom Arbeitgeber einseitig für den Betrieb getroffene Festlegungen unter die abweichungsberechtigten betrieblichen Regelungen einzuordnen seien.

Aus dem Sinnzusammenhang folge auch keine Einschränkung auf nur günstigere betriebliche Regelungen. Theoretisch möglich seien auch Verschlechterungen hinsichtlich der Bindungsdauer und der Mindesthöhe, ab welcher Sonderzahlungen von der Rückzahlungspflicht erfasst sein sollen.

Daher sei in Anwendung von §§ 306 Abs. 1, 307 Abs. 1 BGB die gesamte Klausel als unwirksam anzusehen. Eine Teilstreichung allein des Vorbehalts liefe auf eine verbotene geltungserhaltende Reduktion hinaus, da der Vorbehalt mit der Vereinbarung über die Rückzahlungspflicht eine Sinneinheit bilde und gerade deren Inhalt ungewiss mache.

Hinweise für die Praxis

Das Urteil des LAG ist überzeugend, sofern es ausführt, dass die hier vorliegende Rückzahlungsklausel wegen der unbestimmten Formulierung zur Einschränkung durch anderslautende betriebliche Regelungen nicht dem Transparenzgebot entspreche. Die erste Unklarheit folgt bereits aus dem Begriff der „betrieblichen Regelungen“ an sich. Denn der Begriff der „betrieblichen Regelung“ erfasst nicht nur Betriebsvereinbarungen, sondern auch sonstige Vereinbarungen zwischen den Betriebsparteien (siehe auch BAG, Urteil vom 22.10.2019 – 1 AZR 217/18, Rn. 18). Ferner ist die Einschränkung nicht auf betriebliche Regelungen beschränkt, die bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abweichen, sondern es kommt auf den Anwendungszeitpunkt an und damit auf den Zeitpunkt der Kündigung.

Dem Urteil des LAG lassen sich jedoch bereits wertvolle Hinweise für die Praxis entnehmen. So hätte es nach Ansicht des LAG der Arbeitgeberin als Verwenderin der AGB oblegen, die Klausel deutlicher zu gestalten. So hätte sie regeln können, dass allein günstigere Regelungen als betriebliche Festlegungen Geltung beanspruchen können. Auch hätte klargestellt werden können, dass ausschließlich Regelungen aus normativ wirkenden Betriebsvereinbarungen erfasst sein sollen.

Da das LAG wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum BAG nach 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zugelassen hat, bleibt abzuwarten, wie das BAG die hiermit verbundenen Rechtsfragen entscheiden wird.

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