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Rechtsweg bei einer Entgeltrückforderung

Das LAG Nürnberg hat mit Beschluss vom 28.10.2020 (Az.: 3 Ta 109/20) entschieden, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet ist, wenn der Auftraggeber von seinem Auftragnehmer Entgelt zurückfordert, weil die gesetzliche Rentenversicherung nach Prüfung von einem Arbeitsverhältnis ausgeht. Es liegt ein sogenannter sic-non-Fall vor, bei dem die Behauptung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses genügt.

Sachverhalt

Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Rückabwicklung eines Beschäftigungsverhältnisses.

Die beklagte Partei war bei der Klagepartei zunächst von Juni 2015 bis Dezember 2016 als Arbeitnehmer beschäftigt. Nachdem die beklagte Partei ab Januar 2017 ein Gewerbe angemeldet hatte, war sie sodann für die Klagepartei auf selbständiger Basis tätig.

Aufgrund einer Kontrolle des Hauptzollamtes erhob die Deutsche Rentenversicherung Nachforderungen zur Sozialversicherung. Sie ging davon aus, dass Versicherungspflicht vorlegen würde, da die beklagte Partei als Arbeitnehmer im Sinne von § 7 Absatz 1 Satz 1 SGB IV für die Klagepartei tätig geworden sei.

Mit ihrer Klage begehrt die Klagepartei gegenüber der beklagten Partei Rückzahlung. Sie begründet ihren Anspruch mit der Rechtsprechung des BAG, nach der der Arbeitgeber aus § 812 Absatz 1 Nr. 1 Alternative 1 BGB die Rückzahlung überzahlten Honorars verlangen könne, wenn der Arbeitnehmerstatus eines vermeintlichen Selbstständigen rückwirkend festgestellt werde. Mit einer solchen Feststellung stehe zugleich fest, dass der Dienstverpflichtete als Arbeitnehmer zu vergüten sei und ein Rechtsgrund für die Honorarzahlung nicht bestanden habe.

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen verneint und den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht Bamberg verwiesen. Der sofortigen Beschwerde der Klagepartei gegen die Verweisung hat das Arbeitsgericht nicht abgeholfen, sondern sie dem Landesarbeitsgericht vorgelegt.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des LAG ist die Beschwerde begründet, sodass die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen festzustellen war. Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ergebe sich aus der „sic-non“ Rechtsprechung des BAG.

Alleinentscheidend sei, dass die Klage nur erfolgreich sein könne, wenn zwischen den Parteien tatsächlich ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Denn wenn das Vertragsverhältnis der Parteien sich aufgrund der Ausgestaltung und der tatsächlichen Durchführung als Werk- oder Dienstvertrag erweisen sollte, würde kein Raum für eine Rückforderung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB bestehen.

Damit liege ein „sic-non“ Fall vor. Die Tatsachenbehauptungen der klägerischen Partei seien hier auch doppelrelevant, da sie sowohl für die Rechtswegzuständigkeit als auch für die Begründetheit der Klage maßgebend seien. Denn mit der Verneinung der Zuständigkeit werde der Rechtsstreit praktisch auch in der Sache entschieden.

Wegen des Vorliegens eines „sic-non“ Falles reiche daher die Behauptung der Klagepartei, es läge ein Arbeitsverhältnis vor, aus, um den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zu bejahen.

Hinweise für die Praxis

Ein sog. sic-non-Fall liegt vor, wenn der Kläger seinen Anspruch ausschließlich auf eine arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage stützt, jedoch fraglich ist, ob deren Voraussetzungen vorliegen. In solchen Fällen sind die Tatsachenbehauptungen des Klägers doppelrelevant, da sie für den Rechtsweg und die Sachentscheidung gleichermaßen von Bedeutung sind. Hauptbeispiel für einen sic-non-Fall ist die Kündigungsschutzklage bzw. die Klage auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses. In diesen Fällen reicht die bloße Rechtsbehauptung des Klägers, er sei Arbeitnehmer, zur Begründung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit aus (BAG, Beschluss vom 21.01.2019 – 9 AZB 23/18).

Zweck dieser vereinfachten Zulässigkeitsprüfung ist die beschleunigte endgültige Erledigung des Rechtsstreits. Der Kläger erreicht zwar die erstrebte Prüfung seiner Klage vor dem angerufenen Gericht auf seine schlüssige Behauptung hin. Er riskiert damit allerdings die endgültige Aberkennung des eingeklagten Anspruchs als unbegründet, falls sich seine Behauptungen nicht als wahr feststellen lassen, während er bei einer Abweisung der Klage nur als unzulässig diese vor dem tatsächlich zuständigen Gericht wiederholen könnte (BGH, Beschluss vom 27.10.2009 – VIII ZB 45/08).

Vorliegend ging es ebenfalls um einen sog. sic-non-Fall vor, da es letztlich auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ankam.

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