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Kündigung wegen Ablehnung von Kurzarbeit

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat mit Urteil vom 18.03.2021 (Az. 4 Sa 413/20) entschieden, dass die Kündigung einer Arbeitnehmerin, die die Einführung von Kurzarbeit ohne vollen Lohnausgleich abgelehnt hat, nicht gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612a BGB verstößt.

Sachverhalt

Dem Urteil des LAG Nürnberg liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin war seit dem Jahr 2012 im Friseurbetrieb der Beklagten, einem Kleinbetrieb, auf den das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, zu einem monatlichen Bruttolohn von durchschnittlich 985,71 Euro tätig.

Am 21.03.2020 wurde der Friseurbetrieb der Beklagten aufgrund behördlicher Anordnung anlässlich der Corona-Pandemie vorübergehend geschlossen. Zwei Tage später erhielt die Klägerin per E-Mail den Entwurf einer Vereinbarung, die die Einführung von Kurzarbeit ermöglichen sollte.

Die Klägerin erklärte sich daraufhin mit der Einführung von Kurzarbeit einverstanden, verlangte aber zugleich die Zusage von der Beklagten, dass ihr während der Betriebsschließung das volle Arbeitsentgelt weitergezahlt werde. Sie verwies darauf, dass infolge der Kurzarbeit das Beschäftigungsrisiko einseitig auf den Arbeitnehmer verlagert werde, der auf 40% seines Lohnes verzichten müsse, während der Arbeitgeber keinerlei Einbußen hinnehmen müsse.

Die Beklagte erklärte daraufhin die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2021. Hiergegen wendete sich die Klägerin mit der Kündigungsschutzklage. Insbesondere vertrat sie die Auffassung, die Kündigung sei gem. § 612a BGB wegen eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot unwirksam.

Das Arbeitsgericht Bamberg hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin zum LAG Nürnberg blieb nun ebenfalls ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe

Das LAG schloss sich den erstinstanzlichen Erwägungen des Arbeitsgerichts vollumfänglich an. Vor dem Hintergrund, dass – wie § 2 KSchG zeige – eine Beendigungskündigung wegen der Ablehnung eines Änderungsangebotes sogar sozial gerechtfertigt sein könne, könne die auf die Ablehnung eines Änderungsangebotes gestützte Kündigung nicht schlechthin eine Maßregelung im Sinne des § 612a BGB sein. Von dem besonderen Unwerturteil des § 612a BGB könne daher eine Kündigung, die auf die Ablehnung eines Änderungsangebotes durch den Arbeitnehmer gestützt sei, nur dann betroffen sein, wenn die Ausgestaltung des Änderungsangebots selbst sich als unerlaubte Maßregelung darstelle.

Daran fehle es vorliegend. Die Klägerin verkenne, dass es legitimes Ziel der Einführung von Kurzarbeit sei, bei Arbeitsausfall gerade dem Annahmeverzugs- und Betriebsrisiko des Arbeitgebers zum Zwecke des Erhalts der Arbeitsplätze zu begegnen. Mit der Einführung von Kurzarbeit solle verhindert werden, dass der Arbeitgeber den Arbeitsausfall und das ihn ggf. vergütungsrechtlich nach Maßgabe des § 615 BGB treffende Annahmeverzugs- und Betriebsrisiko zum Anlass nehme bzw. nehmen müsse, sich von Mitarbeitern zu trennen. Es habe der Beklagten grundsätzlich freigestanden, auf die bereits erfolgte behördliche Betriebsschließung zu reagieren, indem sie der Klägerin ein Angebot einer Vereinbarung über Kurzarbeit ohne vollen Lohnausgleich unterbreite. Das Angebot der Beklagten erweise sich daher nicht als unerlaubte Maßregelung, so dass die auf die Ablehnung des Angebots gestützte Kündigung auch nicht gegen § 612a BGB verstoße.

Hinweise für die Praxis

Das Instrument der Kurzarbeit kann vom Arbeitgeber nicht allein auf Grundlage seines Direktionsrechts gemäß § 106 GewO angeordnet werden. Vielmehr bedarf die Einführung einer rechtlichen Grundlage, die sich aus dem Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung ergeben kann.

Existiert ein Betriebsrat, empfiehlt sich die – in der Praxis häufig anzutreffende – Regelung durch Betriebsvereinbarung. Diese hat den Vorteil, dass die Kurzarbeit für den gesamten Betrieb angeordnet werden kann, ohne dass die Zustimmung jedes einzelnen Arbeitnehmers benötigt wird. Der Betriebsrat hat indes auch ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Frage, ob und in welchem Umfang Kurzarbeit in dem Betrieb eingeführt wird.

Ist kein Betriebsrat vorhanden, verbleibt in der Regel nur der Weg über die Individualvereinbarung. Insoweit zeigt sich die Rechtsprechung bislang aber dezidiert arbeitgeberfreundlich. Lehnt der Arbeitnehmer die Kurzarbeit ab, muss er ggf. damit rechnen, eine rechtswirksame Kündigung zu erhalten. Bereits in einem früheren Verfahren hatte das ArbG Stuttgart (Urteil vom 22.10.2020 – 11 Ca 2950/20) entschieden, dass selbst die fristlose Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit zulässig sein kann, sofern der Arbeitgeber gewisse Mindestanforderungen einhält.

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