Dr. Christoph Fingerle, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Ist eine Tätigkeit als »Ehrenbeamter« immer sozialversicherungsfrei?

Sind ehrenamtlich Tätige, beispielsweise »Ehrenbeamte« als Ortsvorsteher oder Bürgermeister sozialversicherungsfrei, auch wenn sie Aufwandsentschädigungen erhalten? Das Bundessozialgericht hat seine Entscheidungskriterien zu Sozialversicherungspflicht von ehrenamtlich Beschäftigten in zwei neuen Entscheidungen bestätigt.

Sachverhalt

Dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 27.04.2021 (B 12 KR 25/19 R) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beigeladenen waren bei der klagenden Stadt als Ortsvorsteher beschäftigt, dabei weder weisungsgebunden noch in die Verwaltungsabläufe der Stadt eingegliedert. Sie übten im Wesentlichen Aufgaben als Vorsitzende des Ortschaftsrats aus und waren Bindeglied zwischen den Bürgern und dem Ortschaftsrat bzw. der Stadtverwaltung. Auch ihre Stellung als Vertreter der Bürgermeisterin nahm keinen die Tätigkeit der Ortsvorsteher prägenden Raum ein. Eine Eingliederung in die Verwaltungsstruktur der Klägerin lag nicht vor. Sie erhielten ein Viertel der einem ehrenamtlichen Bürgermeister einer Gemeinde mit vergleichbarer Einwohnerzahl zustehenden Aufwandsentschädigung, monatlich zwischen 221,25 Euro und 249,25 Euro. Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland forderte von der Klägerin wegen geringfügiger Beschäftigungen der Beigeladenen nach einer Betriebsprüfung Pauschalbeiträge von rund 1.380 Euro.

Das Sozialgericht hat den angefochtenen Betriebsprüfungs- und Widerspruchsbescheid aufgehoben, die Berufung ist erfolglos geblieben.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten war ohne Erfolg.

Die Ortsvorsteher seien weder weisungsgebunden noch in die Verwaltungsabläufe der Klägerin eingegliedert gewesen und damit nicht beschäftigt im sozialrechtlichen Sinne. Bei der Statuszuordnung komme der Ausgestaltung der Organstellung als Ortsvorsteher durch das Landeskommunalrecht, das Satzungsrecht der Gemeinde und die Vereinbarungen zur Eingemeindung der Ortsteile maßgebende Bedeutung zu.

Zudem sei die Tätigkeit der Ortsvorsteher nicht objektiv von einer Erwerbsabsicht, sondern von ideellen und unentgeltlichen Zwecken geprägt gewesen. Die gezahlte Aufwandsentschädigung decke den gesamten mit der Tätigkeit verbundenen Aufwand ab. Ihr Umfang lege eine Vergütung nicht nahe. Sie orientiere sich – reduziert auf ein Viertel – an den für ehrenamtliche Bürgermeister gezahlten Pauschalen und bliebe damit unter dem steuerrechtlich als Ersatz tatsächlich entstandener Kosten ohne Nachweis zu berücksichtigendem Drittel der Einkünfte aus vergleichbaren Tätigkeiten. Über den steuerfreien Mindestbetrag von 154 Euro gingen sie in nur so geringem Umfang hinaus, dass an einer auch sozialversicherungsrechtlich ehrenamtlichen Tätigkeit keine Zweifel bestünden.

Hinweis für die Praxis

Bei ehrenamtlich Tätigen sind also zwei Elemente für eine sozialversicherungsrechtlich abhängige Beschäftigung wesentlich, nämlich zum einen die Eingliederung in eine fremde Betriebs-oder Verwaltungsorganisation, zum anderen die mit der Tätigkeit verbundene Erwerbsabsicht. Fehlt es an beiden oder an einem dieser Elemente, liegt keine abhängige Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn vor.

Unabhängig von dem Status als »Ehrenbeamter« kann dies also durchaus auch anders sein, z.B. bei Bürgermeistern. Diese sind nämlich grundsätzlich sozialversicherungspflichtig beschäftigt, wenn sie nicht nur Vorsitzende des Stadtrats, sondern auch Spitze der Verwaltung und Dienstvorgesetzte sind und dafür eine Entschädigung erhalten, die deutlich über die steuerrechtliche Ehrenamtspauschalen hinausgeht. So hat das Bundessozialgericht dies im Parallelverfahren entschieden, in dem die Revision des Rentenversicherungsträgers Erfolg hatte (Aktenzeichen B 12 R 8/20 R).

Diese Abgrenzungskriterien gelten nicht nur für Ehrenbeamte im politischen Bereich, sondern auch für alle sonst ehrenamtlich Tätigen.

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