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Gendersternchen als Diskriminierung?!

Menschen mit nicht binärer Geschlechteridentität werden nicht durch die Verwendung eines Gendersternchens im Rahmen der Stellenausschreibung diskriminiert. Dies entschied das LAG Schleswig-Holstein mit Urteil vom 22.06.2021 (Az. 3 Sa 37 öD/21).

Sachverhalt

Dem Urteil des LAG Schleswig-Holstein liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die beklagte Gebietskörperschaft schrieb mehrere Stellen aus, darunter Positionen für „Diplom-Sozialpädagog*innen“, „Diplom-Sozialarbeiter*innen“ und „Diplom-Heilpädagog*innen“. In den Ausschreibungen formulierte sie: „Näheres entnehmen Sie bitte dem nachstehenden Anforderungsprofil einer Fachkraft (m/w/d)“. Zudem enthielten die Ausschreibungen den folgenden Hinweis: „Schwerbehinderte Bewerber*innen werden bei entsprechender Eignung bevorzugt berücksichtigt.“

Die zweigeschlechtlich geborene, schwerbehinderte klagende Partei bewarb sich, wurde jedoch nicht berücksichtigt. Mit ihrer Klage machte sie daher Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend. Das in der Ausschreibung genutzte Gendersternchen bei der Formulierung „Schwerbehinderte Bewerber*innen“, so die klagende Partei, sei entgegen den Vorgaben des SGB IX nicht geschlechtsneutral. Das Arbeitsgericht Elmshorn hatte der klagenden Partei aus anderen Gründen bereits eine Entschädigung in Höhe von 2.000 Euro zugesprochen. In der zweiten Berufungsinstanz hatte die klagende Partei Prozesskostenhilfe beantragt mit der Begründung, die ihr zugesprochene Entschädigung müsse aufgrund der diskriminierenden Verwendung des Gendersternchens mindestens das Doppelte betragen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der klagenden Partei hatte keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein wies bereits den Prozesskostenhilfeantrag wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht zurück. Das Gendersternchen, so die 3. Kammer, diene einer geschlechtersensiblen und diskriminierungsfreien Sprache. Es sei auf eine Empfehlung der Antidiskriminierungsstelle der Bundesregierung zurückzuführen. Ziel der Verwendung des Zeichens sei es, nicht nur Frauen und Männer in der Sprache gleich sichtbar zu machen, sondern auch alle anderen Geschlechter zu symbolisieren und der sprachlichen Gleichbehandlung aller Geschlechter zu dienen. Ob das Gendersternchen den offiziellen deutschen Rechtschreibregeln entspricht, könne daher dahingestellt bleiben. Dass die beklagte Gebietskörperschaft habe geschlechtsneutral ausschreiben wollen, werde im Übrigen auch durch den im Ausschreibungstext enthaltenen Zusatz „m/w/d“ deutlich. Damit habe auch die Verwendung des Begriffs „Bewerber*innen“ statt „Menschen“ keinen diskriminierenden Charakter. Das LAG Schleswig-Holstein ließ gegen sein Urteil die Rechtsbeschwerde nicht zu. Die Entscheidung ist damit rechtskräftig.

Hinweise für die Praxis

Das AGG verbietet in Beschäftigung und Beruf Benachteiligungen aufgrund der Merkmale Rasse, ethnische Herkunft, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Identität und Geschlecht. Für Ausschreibungsverfahren stellt das Gesetz ausdrücklich klar, dass eine Stelle nicht unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ausgeschrieben werden darf (§§ 1, 7, 11 AGG). Verstößt der Arbeitgeber gegen dieses Verbot, können diskriminierten Bewerbern/Arbeitnehmern Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche zustehen. Eine Stellenausschreibung, die den Bewerberkreis unter Verstoß gegen die Regelungen des AGG einschränkt, löst bereits die Vermutung aus, dass die Bewerberauswahl nicht diskriminierungsfrei erfolgt ist (§ 22 AGG). Das Begehren der klagenden Partei mag in diesem Fall nicht nur aussichtslos gewesen sein, sondern sogar an Rechtsmissbrauch grenzen. Konsequent hat das LAG Schleswig-Holstein daher bestätigt, dass die beklagte Gebietskörperschaft mittels Verwendung des Geschlechtersternchens nicht nur alles richtig machen wollte, sondern dies auch tatsächlich tat. Einmal mehr wird deutlich, dass Arbeitgeber sich durch die nachlässige Formulierung von Ausschreibungen keine zusätzlichen „Baustellen“ schaffen sollten.

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