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Gemeinsamer Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 20.05.2021 (2 AZR 560/20) zum Vorliegen eines gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen entschieden, dass sich die beteiligten Unternehmen für einen einheitlichen Leitungsapparat zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben müssen. Eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit reicht nicht. Die Personenidentität in der Geschäftsleitung kann zwar ein wesentliches Indiz für einen einheitlichen Leitungsapparat auf Betriebsebene sein, lässt aber nicht notwendig auf eine einheitliche Leitung in den wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten schließen.

Sachverhalt

Dem Urteil des BAG liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beklagte vertreibt Wägeeinrichtungen und Wägegeräte und bietet z.T. Serviceleistungen an. Sie hat 4 Arbeitnehmer und das seit 2015 bestehende Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ordentlich zum 31.03.2019 gekündigt. Der Geschäftsführer der Beklagten ist zugleich Geschäftsführer der A. GmbH (AS), die ebenfalls Wägeeinrichtungen und Wägegeräte vertreibt und Serviceleistungen anbietet.

Am Einstellungsgespräch des Klägers nahm auch der Serviceleiter der AS teil. Der Kläger wurde seitens der AS eingewiesen und besuchte deren Schulungen. Personalangelegenheiten beider Unternehmen erledigt der einheitliche Geschäftsführer. Die Servicetechniker beider Unternehmen werden auch bei den Kunden des jeweils anderen Unternehmens tätig. In Einzelfällen kommt es zu gemeinsamen Einsätzen. Die Einteilung der Dienste der Servicetechniker nimmt bei der Beklagten eine kaufmännische Angestellte vor, bei der AS deren Serviceleiter. Reichen die eigenen Personalkapazitäten beim jeweils eigenen Unternehmen nicht, wird gegenseitig angefragt. Die für die Kalibrierung erforderlichen Gewichte werden bei Bedarf ausgetauscht.

Für die Personalverwaltung beider Unternehmen ist derselbe externe Steuerberater verantwortlich. Im Internetauftritt wird die AS als Servicestützpunkt der Beklagten ausgewiesen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wegen eines Verstoßes gegen das Kündigungsschutzgesetz unwirksam. Die Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht hat die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes nach § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG verneint. Der Kläger ist nicht in einem gemeinsamen von der Beklagten und der AS geführten Betrieb beschäftigt gewesen.

Ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen liegt vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen zu arbeitstechnischen Zwecken zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat betriebsbezogen gesteuert wird. Die beteiligten Unternehmen müssen sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben, so dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird. Eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit genügt nicht. Die Personenidentität in der Unternehmensleitung kann zwar ein wesentliches Indiz für einen einheitlichen Leitungsapparat auf Betriebsebene sein, lässt aber nicht notwendig auf eine einheitliche Leitung in den wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten schließen. Der Umstand, dass eine Person mehrere Unternehmen leitet, bedeutet noch nicht, dass sie diese Aufgaben für alle Unternehmen einheitlich wahrnimmt. Für eine solche Annahme bedarf es vielmehr ergänzender Anhaltpunkte.

Derartige Anhaltspunkte lagen im entschiedenen Fall nicht vor. Insbesondere konnte laut BAG keine einheitliche einen übergreifenden Personaleinsatz steuernde Leitung festgestellt werden. Die Einteilung der Dienste der Servicetechniker nahm vielmehr bei der AS deren Serviceleiter, bei der Beklagten eine ihrer kaufmännischen Angestellten vor. Es gab keine Anhaltpunkte dafür, dass der personenidentische Geschäftsführer unternehmensübergreifende Personaleinsätze angeordnet oder Vorgesetzte dazu ermächtigt hätte, auf das Personal des jeweils anderen Unternehmens unmittelbar zuzugreifen.

Auch hat es sich nach den Feststellungen des BAG bei den für die Kalibrierung erforderlichen Gewichten nicht um „wesentliche Betriebsmittel“ gehandelt.

Hinweis für die Praxis

In der Praxis ist es für Arbeitgeber regelmäßig wichtig, genau zu prüfen, ob ein gemeinsamer Betrieb geführt wird oder geführt werden soll. Die Entscheidung des BAG bestätigt die bisherige Rechtsprechung zum Vorliegen eines gemeinsamen Betriebs zweier Unternehmen, zeigt aber deutlich, dass allein eine Personenidentität in der Geschäftsleitung der Unternehmen nicht zwingend zur Annahme eines gemeinsamen Betriebs führt. Hierfür bedarf es vielmehr ergänzender Anhaltpunkte, deren Vorliegen im Einzelfall genau zu evaluieren ist.

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