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DHV – Die Berufsgewerkschaft e.V. ist nicht tariffähig

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 22.06.2021 – Az. 1 ABR 28/20 – entschieden, dass die DHV – Die Berufsgewerkschaft e.V. nicht tariffähig ist. Selbst bei Zugrundelegung der Angaben der DHV könne nicht prognostiziert werden, dass diese in ihrem eigenständig bestimmten Zuständigkeitsbereich über die notwendige mitgliedervermittelte Durchsetzungsfähigkeit gegenüber den sozialen Gegenspielern verfügt.

Sachverhalt

Dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die 1950 gegründete DHV Berufsgewerkschaft erstreckte mit einer im November 2014 beschlossenen Satzungsänderung ihre Tarifzuständigkeit auf zuvor nicht erfasste Bereiche und sieht seither ihre satzungsmäßige Zuständigkeit als Gewerkschaft für Arbeitnehmer in verschiedensten Wirtschaftszweigen, wie etwa dem Einzel- und Großhandel, in Krankenhäusern und Rettungsdiensten sowie auch in Banken und Versicherungen, Deutsches Rotes Kreuz, Fleischwarenindustrie, Reiseveranstalter, Textilreinigung, Einrichtungen der privaten Alten- und Behindertenpflege sowie IT-Dienstleistungsunternehmen für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte. Sie konkurriert damit – je nach Branche – oftmals mit den Gewerkschaften ver.di, IG Metall oder NGG, die für Betriebe in einigen dieser Branchen ebenfalls zuständig sind. Die Tariffähigkeit der DHV war bereits in der Vergangenheit mehrfach Gegenstand arbeitsgerichtlicher Verfahren.

Die DHV hat nach eigenen Angaben knapp 67.000 Mitglieder in ihrem satzungsmäßigen Zuständigkeitsbereich, in dem etwa 6,3 Mio. Arbeitnehmer beschäftigt seien. Der Gesamtorganisationsgrad der DHV liegt damit bei etwa 1%. In den einzelnen Zuständigkeitsbereichen schwankt ihr Organisationsgrad zwischen ungefähr 0,3% (kaufmännische und verwaltende Berufe bei kommunalen Arbeitgebern) und 2,4% (Versicherungsgewerbe).

Neben anderen haben die Gewerkschaften IG Metall, ver.di und NGG ein Beschlussverfahren eingeleitet und die Feststellung begehrt, dass die DHV nicht tariffähig ist.

Das Arbeitsgericht hatte dem Antrag stattgegeben, das LAG Hamburg als Beschwerdeinstanz ihn abgewiesen. Diese Entscheidung hat das BAG mit Beschluss vom 26.06.2018 abgewiesen und die Sache an das LAG Hamburg zurückverwiesen, welches daraufhin feststellte, dass die DHV auf der Grundlage ihrer letzten Satzung seit dem 21.04.2015 nicht tariffähig ist. Die hiergegen erhobene Rechtsbeschwerde, die Gegenstand des BAG-Beschluss vom 22.06.2021 ist, blieb ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe

Nur eine tariffähige Arbeitnehmervereinigung kann Tarifverträge schließen. Das setzt nach der Rechtsprechung des BAG voraus, dass die Vereinigung über eine Durchsetzungskraft gegenüber der Arbeitgeberseite und eine hinreichende organisatorische Leistungsfähigkeit in einem zumindest nicht unbedeutenden Teil des beanspruchten Zuständigkeitsbereichs verfügt. Diese soziale Mächtigkeit werde regelmäßig durch die Zahl der organisierten Arbeitnehmer vermittelt.

Nach Auffassung des BAG ergibt die gebotene Gesamtwürdigung, dass selbst bei Zugrundelegung der Angaben der DHV nicht prognostiziert werden könne, dass diese in ihrem eigenständig bestimmten Zuständigkeitsbereich über die notwendige mitgliedervermittelte Durchsetzungsfähigkeit gegenüber den sozialen Gegenspielern verfüge. Die DHV könne ihre soziale Mächtigkeit auch nicht aus ihrer Teilnahme am Tarifgeschehen auf der Grundlage ihrer aktuellen Satzung herleiten.

Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des BAG erschwert es Gewerkschaften, ihren Zuständigkeitsbereich zu erweitern, was in der Praxis insbesondere wachsende kleinere oder neu gegründete Gewerkschaften treffen dürfte. Denn das BAG beurteilt Verhandlungsgewicht und Durchsetzungskraft bezogen auf den von der Gewerkschaft selbst festgelegten Organisationsbereich insgesamt. Eine Teiltariffähigkeit nur für bestimmte Branchen oder Regionen lehnt es ab. Das führt bei Erweiterungen des satzungsmäßigen Zuständigkeitsbereichs zunächst zu einer Verminderung des Organisationsgrades, weil in den neuen Bereichen erst noch neue Mitglieder geworben werden müssen, was – wie im Fall der DHV – die Tariffähigkeit gefährden kann. Dabei hilft es der Gewerkschaft auch nicht, wenn sie in den vor der Satzungsänderung gegebenen Zuständigkeitsbereichen bereits Tarifverträge geschlossen hat. Denn der Abschluss von Tarifverträgen in der Vergangenheit ist zwar ein Indiz für die Tariffähigkeit. Diese Indizwirkung ist nach Auffassung des BAG aber bei Zuständigkeitserweiterungen zu relativieren, weil in den neu hinzukommenden Bereichen eben noch keine Tarifverträge durch diese Gewerkschaft abgeschlossen wurden.

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