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Darlegungs- und Beweislast für Einhaltung der Ausschlussfrist

Das LAG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 20.05.2021 (Az.: 10 Sa 1667/20) entschieden, dass der Kündigungsberechtigte zur Einhaltung der 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB die Umstände schildern muss, aus denen sich ergibt, wann und wodurch er von den maßgebenden Tatsachen erfahren hat.

Sachverhalt

Dem Urteil des LAG Berlin-Brandenburg liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die (Un-) Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 02.03.2020 sowie einen Urlaubsabgeltungsanspruch. Der Kläger war seit dem 01.03.2019 bei der Beklagten, einem Zeitarbeitsunternehmen, beschäftigt. Am 12.01.2020 war seine Arbeitszeit von 0:00 Uhr bis 8:30 Uhr, was der Kläger ausweislich des Stundenzettels auch eingetragen hatte. Unstreitig hat der Kläger an diesem Tag aber spätestens um 7:00 Uhr die Arbeit beendet. Bei einer Kontrolle des mit der Qualitätssicherung beauftragten Herrn B stellte dieser diesen Umstand auch fest und fertigte ein Foto des Stundenzettels und „im Nachgang über die am 12.01.2020 durchgeführte Qualitätskontrolle einen Bericht“.

Der Kläger sieht keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung und meint, dass die Kündigung als Reaktion auf die Geltendmachung seiner Vergütungsansprüche erfolgt sei.

Nach dem – streitigen – Vortrag der Beklagten legte Herr B den Bericht der zuständigen Mitarbeiterin Frau C – während ihrer urlaubsbedingten Abwesenheit – auf den Schreibtisch, dort in ein Ablagesystem. Nach der urlaubsbedingten Rückkehr habe Frau C den Bericht jedoch nicht sofort, sondern erst Ende Februar 2020 durch Zufall gefunden, weil Herr B diesen versehentlich nicht in den „Posteingang“, sondern in die „Ablage“ von Frau C gelegt habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung sowie der Zuerkennung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs für 9 Tage entsprochen. Die fristgemäße Kündigung hat das Arbeitsgericht für wirksam erachtet. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des LAG ist die außerordentliche Kündigung nicht begründet, weil die Beklagte nicht dargelegt habe, dass sie die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten habe.

1. Derjenige, der eine Kündigung aus wichtigem Grund ausspreche, müsse anhand von Tatsachen zunächst darlegen, dass er von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erst innerhalb der letzten zwei Wochen vor ihrem Ausspruch erfahren hat. Diese Darlegungspflicht sei nicht bereits erfüllt, wenn der Kündigende lediglich allgemein vorträgt, er kenne die Kündigungsgründe nicht länger als zwei Wochen vor Ausspruch der Kündigung. Er müsse vielmehr die Umstände schildern, aus denen sich ergibt, wann und wodurch er von den maßgebenden Tatsachen erfahren hat. Um den Zeitpunkt, in dem der Wissensstand des Kündigungsberechtigten ausreicht, bestimmen zu können, und um es dem Gekündigten zu ermöglichen, die behauptete Schilderung zu überprüfen und gegebenenfalls qualifiziert zu bestreiten, müsse grundsätzlich angegeben werden, wie es zu der Aufdeckung des Kündigungsgrundes gekommen sein soll.

2. Vorliegend habe die Beklagte relativ allgemein vorgetragen, dass Frau C erst Ende Februar 2020 zufällig den Qualitätsbericht von Herrn B in der Ablage gefunden habe. Insbesondere habe sie nicht dargelegt, was der konkrete Anlass „Ende Februar 2020“ (und nicht vorher) gewesen sei, dass Frau C das (falsche) Fach durchgesehen und den Qualitätsbericht gefunden hat.

Gerade angesichts des – streitigen – Vortrags des Klägers, dass er für die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen sanktioniert worden sei, hätte es auch einer genaueren Darlegung der Beklagten bedurft, wie es zu der Aufdeckung des Kündigungsgrundes gekommen sein soll. Der Verweis auf einen „Qualitätsbericht“ ohne nähere Angaben zu dessen Inhalt sei dazu nicht ausreichend, denn nach Vortrag der Beklagten habe Herr B die durch die Beklagte zu reinigenden Objekte bei dem Kunden kontrolliert und ggf. auch Nacharbeiten durchgeführt, um die Qualitätsstandards der Beklagten zu halten. Dass das auch die Kontrolle der Arbeitszeiten beinhaltet, erschließe sich nicht ohne weiteres.

Hinweise für die Praxis

Das Urteil des LAG Berlin Brandenburg macht nochmals die hohen Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast für die Wahrung der Ausschlussfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB deutlich.

Dem BAG zufolge muss der Kündigende beweisen, dass er von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erst innerhalb der letzten zwei Wochen vor Ausspruch der Kündigung Kenntnis erlangt hat (BAG, Urteil vom 28.03.1985 – 2 AZR 113/84). Dies beruht darauf, dass es dem Kündigenden regelmäßig ohne große Schwierigkeiten möglich ist anzugeben, wann er von dem Kündigungsgrund erfahren hat, während der Gekündigte insoweit zumeist auf reine Vermutungen angewiesen ist und überfordert wäre, wenn er Umstände vortragen müsste, aus denen sich ergibt, dass der Kündigungsgrund durch Zeitablauf verwirkt ist. Diese Darlegungspflicht erfüllt der Kündigende daher nicht schon dann, wenn er nur abstrakt vorträgt, die maßgeblichen Tatsachen habe er erst innerhalb der letzten 2 Wochen vor Ausspruch der Kündigung erfahren. Stattdessen muss er vielmehr möglichst genau den Tag der Kenntniserlangung bezeichnen und vortragen, auf welche Weise das geschehen sein soll (BAG, Urteil vom 17.08.1972 – 2 AZR 359/71).

Auf nähere Ausführungen zu den für die Fristwahrung relevanten Tatsachen kann jedoch dann verzichtet werden, wenn an der Fristwahrung keine Zweifel bestehen oder wenn der Gegner die Fristwahrung unstreitig stellt.

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