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Berücksichtigung variabler Entgeltbestandteile in Karenzentschädigung

Das LAG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 02.12.2020 – 15 Sa 964/20 entschieden, dass variable Entgeltbestandteile bei der Bemessung der Karenzentschädigung nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie zu den zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen gemäß § 74 Abs. 2 HGB zu zählen sind. Dies ist nicht der Fall, wenn der Leistungszeitraum für diese Vergütungsbestandteile schon zuvor endete.

Sachverhalt

Der Kläger begehrt die Zahlung einer höheren Karenzentschädigung wegen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes und will bei der Berechnung der Karenzentschädigung weitere Beträge berücksichtigt wissen, die das Arbeitsgericht als Vorinstanz nicht berücksichtigt hat. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts hatte vor dem Landesarbeitsgericht keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des LAG könne der Kläger gemäß §§ 74 Abs. 2, 74b Abs. 2 S. 1 HGB keine höhere Karenzentschädigung verlangen.

Nach § 74 Abs. 2 HGB sei als Karenzentschädigung mindestens die Hälfte der von dem Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen zu zahlen. Als vertragsgemäß im Sinne dieser Norm sei eine Leistung anzusehen, die auf dem Austauschcharakter des Arbeitsvertrages beruhe und als Vergütung für die geleistete Arbeit erbracht werde. Hierzu würden auch Jahresvergütungen, Gratifikationen, zusätzliche Urlaubsgelder, Tantiemen und ähnliche Sonderzuwendungen zählen, selbst wenn sie der Arbeitgeber nur als freiwillige Leistung gewährt habe. Entscheidend sei, was der Arbeitnehmer als Gegenleistung für seine Arbeitsleistung zu dem maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich erhalten habe bzw. hätte erhalten müssen, auch wenn der Anspruch später fällig werde oder die Auszahlung zu einem späteren Zeitpunkt erfolge. Unerheblich sei, was der Arbeitnehmer im selben Arbeitsverhältnis zu einem früheren Zeitpunkt verdient habe. Maßgeblich sei allein, wie hoch der Verdienst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses war.

Daher seien auch nicht immer alle variablen Vergütungsbestandteile in die Berechnung einzustellen. Diese seien bei der Bemessung der Karenzentschädigung vielmehr nur dann zu berücksichtigen, wenn sie zu den zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen gemäß § 74 Abs. 2 HGB zu zählen sind. Dies sei nicht der Fall, wenn der Leistungszeitraum für diese Vergütungsbestandteile schon zuvor geendet habe.

Bei dieser Sichtweise werde die Vorschrift des § 74b HGB auch nicht völlig irrelevant. Die Norm bleibe insbesondere dann vielfach relevant, wenn die variablen Vergütungsbestandteile vertraglich Jahr für Jahr zugesagt oder tatsächlich ohne zeitliche Begrenzung gezahlt worden sind.

Hinweise für die Praxis

Die Karenzentschädigung hat nach § 74 Abs. 2 HGB mindestens 50% der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen zu betragen. In Ergänzung hierzu enthält die Vorschrift des § 74 b Abs. 2 HGB eine Berechnungsbestimmung bei variablen Vergütungsbestandteilen. Bei diesen ist der Durchschnitt der letzten drei Jahre zu bilden. Dabei kommt es nicht darauf an, was der Arbeitnehmer während dieses Zeitraumes, sondern was er „für“ diesen Zeitraum erhalten hat. Beispielsweise müsste eine für das letzte Jahr vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Vergütung auch dann berücksichtigt werden, wenn sie erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt würde. Denn nur auf diese Weise können Zufallsergebnisse vermieden werden (BAG, Urteil vom 16.11.1973 - 3 AZR 61/73).

Nach Ansicht des LAG Berlin-Brandenburg sind bei Berechnung der Karenentschädigung jedenfalls solche variablen Entgeltbestandteile nicht mehr zu berücksichtigen, deren Leistungszeitraum schon zuvor geendet hat. Dies ist daher für alle „wechselnden Bezüge“ im Sinne des § 74b Abs. 2 HGB gesondert zu prüfen. Hierunter fallen Gehaltsbestandteile, die nicht in jedem Bezugszeitraum oder aber jeweils in unterschiedlicher Höhe anfallen. Hierzu gehören zum Beispiel Provisionen, Boni, Tantiemen, Urlaubsgelder, Leistungszulagen, Verkaufs- und Treueprämien, Gewinnbeteiligungen, Gratifikationen oder auch Belegschaftsaktien.

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