Stefan Daub, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Ausschlussfristen gelten auch für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 27.10.2020 (9 AZR 531/19) bestätigt, dass tarifliche Ausschlussfristen auch auf Urlaubsabgeltungsansprüche zur Anwendung kommen. In der Erhebung einer sog. Bestandsschutzklage nach Ausspruch einer Kündigung liegt dabei nicht die schriftliche Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs i.S. einer tariflichen Ausschlussfrist.

Sachverhalt

Dem Urteil des BAG lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Parteien streiten über die Abgeltung von Urlaub aus dem Jahr 2017. Auf das Arbeitsverhältnis kam kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der zwischen dem Verband Bayerischen Metall- und Elektroindustrie e.V. und der IG Metall geschlossene Manteltarifvertrag zur Anwendung. Hiernach sind Ansprüche auf Urlaub abzugelten, wenn diese wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden können. Ansprüche sind nach der tariflichen Ausschlussfrist spätestens innerhalb von 3 Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen.

Nachdem der Arbeitgeber mit Schreiben vom 20.09.2017 das Arbeitsverhältnis ordentlich betriebsbedingt zum 31.12.2017 gekündigt hatte, schlossen die Parteien am 28.02.2018 in einem Kündigungsschutzverfahren einen Vergleich, mit dem sie sich darauf einigten, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der ausgesprochenen Kündigung zum 31.12.2017 geendet hatte. Der Vergleich wurde nach Ablauf der bis zum 07.03.2018 vereinbarten Widerrufsfrist bestandskräftig. Erst mit Schreiben vom 10.04.2018 verlangte der Arbeitnehmer als Kläger vom beklagten Arbeitgeber erfolglos, 19 Urlaubstage aus dem Jahr 2017 mit EUR 2.642,09 brutto abzugelten. Der Kläger hat mit einem am 18.05.2018 beim Arbeitsgericht eingereichten und der Beklagten am 24.05.2018 zugestellten Schriftsatz Klage erhoben.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht Nürnberg wiesen die Klage ab.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers blieb ohne Erfolg. Nach Ansicht des BAG war der geltend gemachte Urlaubsabgeltungsanspruch aufgrund der tariflichen Ausschlussfrist erloschen. Unter den in der Ausschlussklausel des Tarifvertrages verwendeten Begriff „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ fallen dabei alle gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Ansprüche, die die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben, damit auch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung.

Daran ändert nichts, dass die tarifliche Ausschlussfrist nach ihrem Wortlaut auch den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfasst. Auch eine mit der Ausschlussklausel nach § 3 Satz 1 MiLoG unwirksame Beschränkung der Geltendmachung des Mindestlohnanspruchs führt nach Ansicht des BAG, im Unterschied zu einer individualvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist, lediglich „insoweit“ zur Unwirksamkeit der tariflichen Verfallklausel, als der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn betroffen ist. Hinsichtlich der übrigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, damit auch den auf Abgeltung von Urlaub, bleibt die Verfallklausel wirksam.

Nach Ansicht des BAG kann auch der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs als reiner Geldanspruch grundsätzlich tariflichen Ausschlussfristen unterliegen. Die tarifliche Klausel mit einer Frist zur Geltendmachung von drei Monaten schränkt auch den unionsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht unzulässig ein.

Der Abgeltungsanspruch war mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Wegfall des gesetzlichen Abgeltungsverbots entstanden. Das eingeleitete Kündigungsschutzverfahren und dessen Beendigung durch gerichtlichen Vergleich hatten auf die Entstehung des Urlaubsabgeltungsanspruchs keinen Einfluss. Die Entstehung und die Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs waren auch nicht durch den im Kündigungsschutzverfahren am 28.02.2018 geschlossenen gerichtlichen Vergleich hinausgeschoben worden, da die Parteien mit dem Vergleich das Arbeitsverhältnis wie gekündigt zum 31.12.2017 beendeten. Der Kläger war gehalten, selbst wenn für ihn die Wirksamkeit der Kündigung ungewiss war, den Abgeltungsanspruch zur Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist vorsorglich schriftlich geltend zu machen. Dies geschah indes erst mit Schreiben vom 10.04.2018, damit nach Ablauf der tariflichen Frist von 3 Monaten.

An diesem Ergebnis ändert nichts, dass nach der Rechtsprechung des BAG mit einer Kündigungsschutzklage ein Arbeitnehmer, ohne dass es einer bezifferten Geltendmachung bedarf, eine einstufige Ausschlussfrist bzw. die erste Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist für alle aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses resultierenden Ansprüche grundsätzlich wahrt. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung knüpft allerdings nicht an den mit der Kündigungsschutzklage angestrebten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses an, sondern setzt im Gegenteil als Anspruchsvoraussetzung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraus. Will ein Arbeitnehmer den Verfall solcher Ansprüche verhindern, reicht deshalb die Erhebung einer Kündigungsschutzklage nicht aus. Das BAG sieht darin auch keinen Verstoß gegen das grundgesetzlich gewährleistete Recht auf effektiven Rechtsschutz.

Hinweis für die Praxis

Der 9. Senat des BAG bestätigt mit dem Urteil seine Rechtsprechung. Fällige Urlaubsabgeltungsansprüche können aufgrund von Ausschlussfristen verfallen. Arbeitnehmer sind gut beraten, wenn sie sowohl bei einer unstreitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, aber auch in einem laufenden Kündigungsschutzverfahren und auch bei einem Streit um die Wirksamkeit einer Befristung (BAG, 07.07.2020, 9 AZR 323/19) die Regelungen der jeweils einschlägigen Ausschlussfrist beachten und die Ansprüche wie beschrieben geltend machen.

Für Arbeitnehmer ist eine tarifliche Ausschlussfrist dabei gefährlicher, da deren Wirksamkeit von den Arbeitsgerichten nicht so streng kontrolliert wird wie die Wirksamkeit einer individualvertraglichen Klausel; tarifliche Klausel sind bei Verstoß gegen eine gesetzliche Regelung nur „insoweit“ unwirksam.

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