max fahr arbeitsrecht p.jpg

Auskunft über Vergleichsentgelt und Vermutung der Benachteiligung wegen des Geschlechts

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 21.01.2021 – 8 AZR 488/19 – entschieden, dass es regelmäßig eine vom Arbeitgeber widerlegbare Vermutung der Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts begründe, wenn bei der Klage einer Frau auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit (Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 Entgelttransparenzgesetz – EntgTranspG) deren Entgelt geringer ist als das vom Arbeitgeber nach §§ 10 ff. EntgTranspG mitgeteilte Vergleichsentgelt (Median-Entgelt) der männlichen Vergleichsperson.

Sachverhalt

Die bei der Beklagten als Abteilungsleiterin beschäftigte Klägerin erhielt im August 2018 von der Beklagten eine Auskunft nach §§ 10 ff. EntgTranspG. Aus dieser ging ua. das Vergleichsentgelt der männlichen Abteilungsleiter bei der Beklagten hervor, und zwar entsprechend den Vorgaben von § 11 Abs. 3 EntgTranspG als "auf Vollzeitäquivalente hochgerechneter statistischer Median" des durchschnittlichen monatlichen übertariflichen Grundentgelts sowie der übertariflichen Zulage (Median-Entgelte). Die Klägerin bezog sowohl weniger Grundentgelt als auch eine niedrigere Zulage als die männliche Vergleichsperson.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – von der Beklagten Zahlung der Differenz zwischen dem ihr gezahlten Grundentgelt sowie der ihr gezahlten Zulage und der ihr mitgeteilten höheren Median-Entgelte für die Monate August 2018 bis Januar 2019.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen hatte die Klägerin indessen keinen Erfolg. Es hat angenommen, es lägen schon keine ausreichenden Indizien iSv. § 22 AGG vor, die die Vermutung begründeten, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts erfahren habe.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin war vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolgreich. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden.

Das BAG ist der Auffassung, aus der von der Beklagten erteilten Auskunft ergebe sich das Vergleichsentgelt der maßgeblichen männlichen Vergleichsperson. Nach den Vorgaben des EntgTranspG liege in der Angabe des Vergleichsentgelts als Median-Entgelt durch einen Arbeitgeber zugleich die Mitteilung der maßgeblichen Vergleichsperson, weil entweder ein konkreter oder ein hypothetischer Beschäftigter des anderen Geschlechts dieses Entgelt für gleiche bzw. gleichwertige Tätigkeit erhalte. Die Klägerin habe gegenüber der ihr von der Beklagten mitgeteilten männlichen Vergleichsperson eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG erfahren, denn ihr Entgelt war geringer als das der Vergleichsperson gezahlte. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts begründe dieser Umstand zugleich die – vom Arbeitgeber widerlegbare - Vermutung, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung "wegen des Geschlechts" erfahren hat. Aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen habe der Senat nicht entscheiden können, ob die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte, diese Vermutung den Vorgaben von § 22 AGG in unionsrechtskonformer Auslegung entsprechend widerlegt hat. Zugleich sei den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen zu geben. Dies führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht.

Hinweis für die Praxis

Das BAG stärkt mit seiner Entscheidung das in den EU-Verträgen verankerte Prinzip des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit (vgl. Art. 57 Abs. 1 AEUV) durch entsprechende Anwendung der nationalen gesetzlichen Umsetzungsnormen. Zu letzteren gehört nicht nur das in § 7 EntgTranspG enthaltene Entgeltgleichheitsgebot, sondern auch der in §§ 10 ff. EntgTranspG normierte individuelle Auskunftsanspruch. Arbeitgeber sind gut beraten, die Vorschriften zur Entgelt-Gleichbehandlung bei der Entgeltgestaltung von vorne herein mit zu berücksichtigen.

Kontakt > mehr