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Gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern

Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft wird im Regelfall von der Hauptversammlung bestellt oder nach den Vorgaben des Mitbestimmungsrechts durch die Arbeitnehmervertreter (mit-)besetzt. Nur ausnahmsweise – und unter strengen Vorgaben – kann ein unvollständiger Aufsichtsrat auch durch das Registergericht ergänzt werden.

Hintergrund

Im Rahmen einer Wahlanfechtungsklage wurde die Wahl von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat angefochten. Infolge dessen beantragten die Vorstandsmitglieder der betroffenen AG u.a. die gerichtliche Bestellung benannter Personen zu Mitgliedern des Aufsichtsrats; hilfsweise die aufschiebend bedingte Bestellung für den Fall, dass die laufende Wahlanfechtungsklage Rechtskraft erlangt.

Auch die zweitinstanzliche Beschwerde hatte hierbei keinen Erfolg. Denn die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern setzt eine bereits bestehende Vakanz im Aufsichtsrat voraus. Nach dem OLG München hat eine anhängige Wahlanfechtungsklage grundsätzlich keine Auswirkungen auf das Amt der betroffenen Aufsichtsratsmitglieder und die Zusammensetzung des Aufsichtsrates. Sie führe auch nicht zur akuten Handlungsunfähigkeit des Aufsichtsrates.

Auch die bedingte Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern für den Fall, dass die Aufsichtsratswahl in dem anderen Verfahren rechtskräftig für nichtig bzw. unwirksam erklärt wird, lehnte das OLG München ab. Denn das gerichtliche Bestellverfahren, welches – so jedenfalls das OLG – im Regelfall nur wenige Tage dauere, kann erfolgen, sobald eine rechtskräftige Entscheidung im Anfechtungsprozess vorliegt, wobei wegen der Schnelligkeit auch keine Handlungsunfähigkeit des Aufsichtsrats droht. Weil das Gericht zudem faktisch zur Bestellung derjenigen Personen angehalten wäre, deren Wahl angefochten wird (Stichwort: Durchgängigkeit der Besetzung), würde eine bedingte gerichtliche Bestellung auch das Auswahlermessen des Gerichts unzulässig beeinträchtigen.

Praxishinweis

Das OLG München hat sich intensiv mit der Reichweite der gerichtlichen Ersatzbestellung von Aufsichtsräten befasst, wobei der Beschluss wegen der Sachverhaltseinbettung insbesondere für den Fall einer anhängigen Wahlanfechtung praktische Bedeutung hat.

Der Gesetzgeber verfolgt mit § 104 AktG die Intention der Sicherstellung der Handlungs- und Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats. Nach dem gesetzlichen Leitbild sind im Wesentlichen vier Konstellationen vorgesehen, die eine gerichtliche Bestellung von Mitgliedern des Aufsichtsrats ermöglichen:

  • Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats,
  • mindestens dreimonatig andauernde Unterbesetzung,
  • dringender Fall bei einer nicht dreimonatigen Unterbesetzung, oder
  • unvollständige gesetzliche oder satzungsmäßige Besetzung bei paritätisch mitbestimmten Gesellschaften.

Zwar kann auch in weiteren, gesetzlich nicht geregelten Fällen eine gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern in Betracht kommen (§ 104 AktG analog), jedoch sind hierfür hohe Hürden zu stellen – etwa eine drohende Handlungsunfähigkeit lässt sich als Grund in Betracht ziehen.

Ob für die Praxis durch die klare Positionierung des OLG München bezüglich der umstrittenen Frage zur rückwirkenden gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern unter der aufschiebenden Bedingung einer rechtskräftigen Nichtigkeits-/Unwirksamkeitserklärung betreffend deren Wahl eine endgültige Klärung eingetreten ist, ist noch abzuwarten. Jedenfalls streitet nun eine obergerichtliche Entscheidung für eine Ablehnung der rückwirkenden bedingten Bestellung durch Gerichte.

Für die Praxis bedeutet dies, dass ein Wahlanfechtungsprozess grundsätzlich bis zur rechtskräftigen Entscheidung abgewartet und erst dann eine gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern betrieben werden sollte. Ausnahmen, insbesondere im Falle einer drohenden Handlungsunfähigkeit, sind jedoch weiterhin zu berücksichtigen.

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