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Wegen Covid-19: Bundesregierung zieht Verschärfung der Investitionskontrolle im Bereich Pharma und Medizintechnik vor

Das Bundeswirtschaftsministerium hat am 27.04.2020 den Entwurf für eine weitere Änderung der Außenwirtschaftsverordnung (AWV), die u.a. die Kontrolle ausländischer Investitionen in Deutschland regelt, vorgelegt. Im Mittelpunkt der jüngsten Novelle steht der Gesundheitssektor. Bereits in den letzten Jahren wurde die Investitionskontrolle in Deutschland mehrfach verschärft, um ein Abwandern von Schlüsseltechnologien ins Ausland zu erschweren. Das geschah insbesondere, nachdem im Zusammenhang mit dem Verkauf des Roboterbauers KUKA an einen chinesischen Investor in der Öffentlichkeit Kritik an den vergleichsweise liberalen deutschen Bestimmungen aufgekommen war.

Im Rahmen der sog. sektorübergreifenden Investitionskontrolle prüft die Bundesregierung, ob der Erwerb eines inländischen Unternehmens durch einen von außerhalb der EU stammenden Erwerber die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Sie kann den Verkauf dann untersagen oder von der Einhaltung von Auflagen abhängig machen. In diesem Zusammenhang zählt die AWV ausdrücklich bestimmte kritische Bereiche auf, z.B. Energie- oder Wasserversorgung. Wenn das zum Verkauf stehende inländische Unternehmen in einem dieser Bereiche tätig sind, liegt eine Gefährdung besonders nahe und es gelten deshalb strengere Regeln.

Diese kritischen Bereiche werden durch die jetzt vorgestellte Novelle erweitert. Dazu zählen künftig  insbesondere auch Unternehmen aus dem Gesundheitssektor, die

  • persönliche Schutzausrüstung entwickeln oder herstellen oder Vorprodukte dafür zuliefern;
  • Arzneimittel, z.B. Impfstoffe, die für die Versorgung der Bevölkerung wesentlich sind (einschließlich deren Ausgangs- und Wirkstoffe), entwickeln, herstellen, in Verkehr bringen oder deren Zulassungsinhaber sind;
  • Medizinprodukte u.a. zur Diagnose, Verhütung oder Behandlung von lebensbedrohlichen und hochansteckenden Infektionskrankheiten entwickeln, herstellen oder vertreiben oder Zulieferprodukte dafür liefern;
  • In-vitro-Diagnostika für lebensbedrohliche und hochansteckende Infektionskrankheiten liefern, entwickeln, herstellen oder vertreiben oder Zulieferprodukte dafür liefern; oder
  • Herstellungsanlagen oder Technologien für die Entwicklung oder Herstellung der o.g. Produkte entwickeln, herstellen oder vertreiben oder Zulieferprodukte dafür liefern.

Möchte ein Erwerber aus einem Nicht-EU-Staat ein Unternehmen aus diesen Bereichen erwerben, muss dies dem Bundeswirtschaftsministerium künftig vorher angezeigt werden. Das Ministerium kann dann bereits ab einem geplanten Erwerb von 10% der Anteile durch einen unionsfremden Erwerber eine Untersagung oder Auflagen prüfen.

Das Ministerium muss dem Erwerber wie bisher innerhalb von drei Monaten ab Kenntnis vom Abschluss des Erwerbsvertrages die Durchführung der Prüfung schriftlich mitteilen. Die rechtzeitige Mitteilung ist künftig aber nicht mehr Voraussetzung für die sektorenübergreifende Prüfung, d.h. die Prüfung kann auch später noch durchgeführt werden. Nach Ablauf von fünf Jahren ab Abschluss des Erwerbsvertrages ist eine Eröffnung des Prüfverfahrens aber wie bisher unabhängig von der Kenntnis des Ministeriums ausgeschlossen.

Ausführlicher geregelt ist jetzt der Inhalt der Anzeige durch den unmittelbaren Erwerber. So sind darin ausdrücklich die Geschäftsfelder des Erwerbers und des zu erwerbenden inländischen Unternehmens in den Grundzügen darzustellen. Klargestellt wird durch die Novelle außerdem, dass auch ein Asset-Deal, etwa der Erwerb eines Betriebsteils, von wesentlichen Produktionsanlagen oder Know-How, unter die Investitionskontrolle fällt. Ferner wird nun ausdrücklich geregelt, dass bei der Prüfung z.B. berücksichtigt werden soll, ob der Erwerber unmittelbar oder mittelbar von einem ausländischen Staat kontrolliert wird.

Die Novelle der AWV soll die Änderungen im Außenwirtschaftsgesetz flankieren, die bereits am 08.04.2020 von der Regierung beschlossen wurden und die 2019 verabschiedeten EU-weiten Regelungen zur Investitionskontrolle durch die Verordnung (EU) 2019/452 über die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen umsetzen sollen. Mit dem Fokus auf den Gesundheitssektor folgt die Bundesregierung einer entsprechenden Empfehlung der EU Kommission in deren am 20.03.2020 veröffentlichten Leitlinien im Vorfeld der Anwendbarkeit der genannten Verordnung (ab 11.10.2020). Neben den Unternehmen aus dem Gesundheitssektor werden durch die AWV-Novelle auch Dienstleister im Bereich staatlicher Kommunikation, z.B. des digitalen Polizeifunks, und Unternehmen, die bestimmte kritische Rohstoffe gewinnen oder weiterverarbeiten, als weitere kritische Bereiche aufgenommen. Darüber hinaus plant die Bundesregierung derzeit weitere Änderungen, jedoch sollen die den Gesundheitssektor betreffenden Verschärfungen aufgrund der aktuellen Situation im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie jetzt vorgezogen werden.

Durch die Novelle werden künftig Transaktionen im Gesundheitssektor, bei denen die Erwerber einen Bezug zu Drittstaaten außerhalb der EU aufweisen, sehr weitgehend der Investitionskontrolle durch die Bundesregierung und damit einer entsprechenden Anzeigepflicht unterliegen. Es empfiehlt sich, in diesen Fällen mit der Anzeige direkt eine Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 58 AWV zu beantragen. Diese gilt nach zwei Monaten als erteilt, wenn das Ministerium kein Prüfverfahren eröffnet. Ohne einen solchen Antrag droht trotz unverzüglicher Anzeige eine Untersagung noch nach bis zu fünf Jahren nach Abschluss des Deals, weil die Ausschlussfrist für die Prüfung von drei Monaten ab Kenntnis des Ministeriums vom Vertragsschluss künftig wegfällt.

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