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Arbeitsrecht: Urlaub in COVID-19-Risikogebieten

Die Verlautbarungen des Bundesgesundheitsministeriums am 27. August 2020 zum Thema „Verdienstausfall bei Quarantäne“ haben in der Öffentlichkeit eine kontroverse Diskussion ausgelöst und nicht zuletzt bei Arbeitgebern für erhebliche Irritation gesorgt. Der Sprecher des Ministeriums verwies in dem Kontext der neuesten Quarantäneverordnungen der Länder, nach denen sich Urlauber nach ihrer Rückkehr aus einem Risikogebiet für zwei Wochen in Quarantäne begeben müssen, darauf, dass ein Arbeitnehmer in diesem Fall weder verpflichtet sei, dafür Urlaub zu nehmen, noch einen Verdienstausfall befürchten müsse. Das Bundesgesundheitsministerium rekurriert insoweit auf § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Danach komme der Staat für Verdienstausfälle auf, wenn jemand „Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet.“

Das Ministerium verkennt hingegen § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG. Eine Entschädigung vermag danach u.a. derjenige nicht zu beanspruchen, wer „[…] ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können“. Wer wissentlich und in Kenntnis der Quarantänevorschriften in ein Risikogebiet reist, hat bei verständiger Würdigung des Gesetzeswortlauts daher eben keinen Entschädigungsanspruch.

Nachstehend werden die häufig zum Thema „Verdienstausfall“ gestellten Fragen beantwortet:

1. Gelten die staatlichen Quarantäneregelungen auch für Arbeitnehmer?

Unabhängig davon, ob Arbeitnehmer wissentlich in Risikogebieten Urlaub gemacht haben oder von einer Reisewarnung überrascht wurden, müssen sie ohne Nachweis, nicht mit dem Virus SARS-CoV-2 infiziert zu sein, nach der Heimreise für zwei Wochen in häusliche Quarantäne.

2. Muss der Arbeitgeber über den Urlaub im Risikogebiet unterrichtet werden?

Wenngleich es den Arbeitgeber nichts angeht, wo und mit wem seine Mitarbeiter ihren Urlaub verbringen, muss der Arbeitnehmer, um einem Ansteckungsrisiko vorzubeugen, dem Arbeitgeber aber mitteilen, ob er sich in den letzten 14 Tagen in einem Corona-Risikogebiet aufgehalten hat oder Kontakt zu jemandem hatte, der unter Infektionsverdacht steht oder infiziert ist. Ohne Nachweis, aktuell nicht infiziert zu sein, muss sich der Arbeitnehmer nach seiner Rückkehr aus einem Risikogebiet für einen Zeitraum von 14 Tagen in häusliche Quarantäne begeben (siehe oben).

3. Kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber trotz Quarantäne die Vergütung beanspruchen?

Sofern Arbeitnehmer wissentlich in ein Land reisen, für das eine Reisewarnung besteht, handeln sie schuldhaft im Sinne der Entgeltfortzahlungsbestimmungen, weil nach den jeweiligen Landesverordnungen der Bundesländer hieraus die Verpflichtung entsteht, sich bei der Rückkehr in Quarantäne zu begeben. Als Folge des schuldhaften Verhaltens entsteht eine vorübergehende Verhinderung der Erbringung der Arbeitsleistung gemäß § 616 BGB, die der Arbeitnehmer durch sein Verhalten verschuldet hat. Dementsprechend steht dem Mitarbeiter in diesem Fall kein Entgeltfortzahlungsanspruch gemäß § 616 BGB zu. Falls der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, während der Quarantänephase seine Arbeitsleistung aus dem Homeoffice zu erbringen, bleibt sein Anspruch auf Zahlung des Arbeitsentgelts aber  bestehen.

4. Gilt das Vorstehende auch bei Warnung nach Reiseantritt?

Nein. Etwas Anderes gilt für den Fall, dass das vom Arbeitnehmer bereiste Urlaubsland erst nach dem Antritt seiner Reise aufgrund erneut steigender Infektionszahlen wieder zum Risikogebiet erklärt wird. Der Arbeitnehmer handelt mit seiner Reise nicht schuldhaft und hätte für einen vorübergehenden Zeitraum einen Lohnfortzahlungsanspruch nach § 616 BGB. Hier greift jedoch vor allem § 56 IfSG, nach welchem der Arbeitnehmer einen Entschädigungsanspruch für die Zeit der Quarantäne hat. In der Praxis leistet der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung und kann sich diese Zahlungen von der zuständigen Behörde erstatten lassen (§ 56 Abs. 5 IfSG).

Ergänzend ist in dem Zusammenhang auf § 56a IfSG hinzuweisen. Danach wird der Verdienstausfall von Eltern ausgeglichen, deren Kind das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert ist, die ihr Kind infolge einer auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes behördlich angeordneten Schließung von Kitas oder Schulen selbst betreuen müssen. Die Eltern müssen darlegen, dass keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit bestand. Die Regelung tritt (voraussichtlich) am 1. Januar 2021 wieder außer Kraft.

5. Was ist Arbeitgebern zu empfehlen?

Angesichts der z.B. in Baden-Württemberg noch andauernden Sommerferien und der in einigen Bundesländern bereits bevorstehenden Herbstferien sowie nicht zuletzt wegen der missverständlichen Äußerungen des Bundesgesundheitsministeriums sollten Arbeitgeber ihre Mitarbeiter zur Klarstellung nochmals ausdrücklich auf die drohenden Konsequenzen hinweisen, wenn sie sich trotz Reisewarnung in den Urlaub in einem Risikogebiet begeben.

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