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Gleiches Recht für alle – Angemessene Vergütung auch für Künstler außerhalb der EWR-Staaten

Der EuGH hat mit Urteil vom 08.09.2020, Az. C-265/19, entschieden, dass die Mitgliedsstaaten der europäischen Union auch solchen ausübenden Künstlern, die weder die Staatsangehörigkeit eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) besitzen, noch einen sonstigen Bezug zum Europäischen Wirtschaftsraum aufweisen, den Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung für die Wiedergabe aufgenommener Musik nach Art. 8 Abs. 2 Richtlinie 2006/115 gleichberechtigt neben den Tonträgerherstellern zusprechen müssen.

I. Sachverhalt

Parteien des Ausgangsverfahrens waren zwei irische Verwertungsgesellschaften. Bei der Klägerin handelte es sich um die Recorded Artists Actors Performers Ltd (RAAP), welche sich mit der Rechtewahrnehmung der ausübenden Künstler befasste. Auf Beklagtenseite stand ihr die für die Tonträgerhersteller tätige Performance (Ireland) Ltd (PPI) gegenüber. Die Parteien waren durch einen Vertrag miteinander verbunden. Dieser regelte, wie in Irland die Aufteilung der von den Nutzern gezahlten Vergütung für die öffentliche Wiedergabe aufgenommener Musik in Lokalen, anderen öffentlich zugänglichen Orten oder per Funksendung erfolgen sollte. Danach zahlten die Nutzer – also beispielsweise die Inhaber der Lokale – ihre Vergütung für das sogenannte „Kneipenrecht“ – zunächst vollständig an die Beklagte. Die Aufteilung dieser Vergütung zwischen den Tonträgerherstellern und den ausübenden Künstlern geschah in einem weiteren Schritt durch deren teilweise Weiterleitung an die Klägerin, die diesen Anteil dann an die Künstler ausschüttete.

Angesichts dieser Regelung kam es zwischen den Parteien zu einem Streit um die Frage, inwieweit diese vertragliche Regelung auch dann Anwendung findet, wenn ein ausübender Künstler weder die Staatsangehörigkeit eines EWR-Staates besitzt, noch sich in einem solchen Staat aufhält. Die Klägerin vertrat hierbei die Auffassung, dass nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 und den internationalen Übereinkünften, auf die in dieser Richtlinie Bezug genommen wird, eine Aufteilung der Vergütung zwischen Tonträgerhersteller und ausübendem Künstler unabhängig von deren Staatsangehörigkeit oder Aufenthaltsort zu erfolgen habe. Somit seien ausübende Künstler in Irland stets an der Vergütung zu beteiligen. Demgegenüber lehnte die Beklagte einen Anspruch ausübender Künstler aus Nicht-EWR-Staaten auf Erhalt einer angemessenen Vergütung ab. Sie begründete dies damit, dass auch irische Künstler in bestimmten Drittstaaten, wie den Vereinigten Staaten von Amerika, keine angemessene Vergütung erhielten. Zur Stützung ihres Standpunkts berief sich die Beklagte mit dem Copyright and Related Rights Act 2000 (CRR Act) auf irisches Recht. In diesem Gesetzeswerk sei ein Vergütungsrecht für Künstler aus Nicht-EWR-Staaten gerade nicht vorgesehen, weshalb die Vergütung in vollem Umfang bei den Tonträgerherstellern zu verbleiben habe.

Der irische High Court hegte Zweifel an der Vereinbarkeit des CRR Act mit Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115: Die Richtlinie fordere die Zahlung einer einzig angemessenen Vergütung durch den Nutzer und deren Aufteilung zwischen den ausübenden Künstlern und den Tonträgerherstellern. Die Frage der Vereinbarkeit der nationalen mit der EU-Regelung (und weitere in Zusammenhang stehende Fragen) legte das Gericht dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

II. Entscheidungsgründe

1. Anspruch auf einzig angemessene Vergütung auch für Angehörige von Nicht-EWR-Staaten

Hinsichtlich der Frage nach Zahlung einer einzig angemessenen Vergütung auch für ausübende Künstler jenseits der EWR-Staaten stellte sich der EuGH auf den Standpunkt der Klägerin: Der Anspruch auf die angemessene Vergütung dürfe nach Ansicht des EuGH auch für ausübende Künstler aus Nicht-EWR-Staaten nicht ausgeschlossen werden, wenn die Nutzung des Tonträgers innerhalb der Union erfolgt. Dem stehe Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 entgegen. Zwar lasse sich dies nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Richtlinie entnehmen. Dort sei ohne nähere Präzisierung lediglich von „ausübenden Künstlern“ die Rede. Auf der anderen Seite fordere die Richtlinie aber auch keinen besonderen Bezug des ausübenden Künstlers zu einem EWR-Staat. Es werde dort weder auf den Besitz der Staatsangehörigkeit eines EWR-Staats noch auf den dort begründeten Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort abgestellt. Auch auf den Ort, an dem die werkschaffende Tätigkeit ausgeführt wurde, komme es nicht an. Vielmehr ergebe ein Blick auf Systematik und Zielsetzung der Richtlinie, dass diese dazu diene, den ausübenden Künstlern durch die Schaffung eines harmonisierten Rechtsschutzes die Erzielung eines angemessenen Einkommens zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund und wegen des Vorrangs von der Union abgeschlossener internationaler Übereinkünfte sei Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit dem WPPT auszulegen. Durch diese internationale Übereinkunft werden die Union und ihre Mitgliedstaaten zur unterschiedslosen Anwendung des Anspruchs auf angemessene Vergütung unabhängig von der Staatsangehörigkeit oder einem sonstigen Bezug zu EWR-Staaten verpflichtet. Als Begründung hierfür führte der EuGH eine Reihe von Vorschriften des WPPT und in Anwendung dieser auch solche des Rom-Abkommens an (vgl. Art. 15 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1, Art. 3 Abs. 2 WPPT i.V.m. Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 des Rom-Abkommens). Aus diesen Vorschriften schloss der EuGH schließlich, dass der nationale Gesetzgeber den Anspruch auf eine einzig angemessene Vergütung aus Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 nicht lediglich Personen vorbehalten dürfe, die die Staatsangehörigkeit eines EWR-Mitgliedstaats besitzen.

2. Auch WIPO-Vorbehalte von Drittstaaten schränken den Anspruch nicht ein

Eine weitere Vorlagefrage des irischen High Court bezog sich auf den Umgang mit von Drittstatten notifizierten Vorbehalten, mit denen diese den Anspruch ausländischer Künstler auf Zahlung einer einzig angemessenen Vergütung im eigenen Hoheitsgebiet ihrerseits einschränken. Nach Dafürhalten des EuGH führt auch ein solcher Vorbehalt nicht dazu, dass Staatsangehörige dieser Drittstaaten in ihrem Anspruch auf Zahlung einer einzig angemessenen Vergütung aus Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115  eingeschränkt werden. Vielmehr bedürfe es für die Annahme einer solchen Einschränkung der Entscheidung des Unionsgesetzgebers.

3. Anspruch auf Vergütung steht nicht allein dem Tonträgerhersteller zu

Schließlich stellte der EuGH auch fest, dass es bereits mit dem Wortlaut des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 unvereinbar sei, den in ihm vorgesehenen Anspruch auf eine einzig angemessene Vergütung allein dem Tonträgerhersteller zuzusprechen. Somit sei es generell – und damit unabhängig von der Herkunft des ausübenden Künstlers – nicht zulässig, den an der Tonträgerherstellung mitwirkenden Künstler innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums nicht in angemessenem Maße an der Vergütung zu beteiligen. Stattdessen habe stets eine Aufteilung der Vergütung zwischen dem Tonträgerhersteller und dem ausübenden Künstler stattzufinden.

III. Praxishinweis

Die komplexe Materie des internationalen Urheberrechts ist um ein Kapitel reicher – was insbesondere die ausübenden Künstler freuen wird, die von außerhalb des EWR stammen. Immerhin hat der EuGH mit der Entscheidung einen wichtigen Beitrag zur Stärkung ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Position geleistet. Die immer wieder auftretende Kollision zwischen Gegenseitigkeitsprinzip (wie behandeln die Staaten gegenseitig die Künstler und Urheber verschiedener Staatsangehörigkeiten) und Diskriminierung (der Künstler und Urheber) hat der EuGH  im Sinne der Gleichbehandlung gelöst.

In der Praxis dürfte sich die Entscheidung insbesondere auf folgende Weise auswirken:

  • Es ist nun klargestellt, dass ausübende Künstler von außerhalb der EWR-Staaten über ihre jeweilige Verwertungsgesellschaft in allen Mitgliedstaaten einen Anspruch auf angemessene Vergütung geltend machen können, wenn an öffentlichen Orten Aufnahmen wiedergegeben werden, an denen sie mitgewirkt haben.
  • Im Verhältnis der mit der Wahrnehmung dieser Rechte von den ausübenden Künstlern einerseits und den Tonträgerherstellern andererseits beauftragten Verwertungsgesellschaften führt dies ebenfalls zu einer Gleichbehandlung bei der Verteilung der Einnahmen.
  • Während dies in Irland zwei unterschiedliche Verwertungsgesellschaften betrifft (weshalb es zu dem Rechtsstreit kam), werden die Rechte in Deutschland für beide Personengruppen von der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH wahrgenommen, so dass hierzulande nur die interne Verteilung betroffen ist.

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