norbert hebeis markenrecht h.jpgsebastian binder markenrecht 2.jpg

Markenrechtliche Haftung von Online-Marktplätzen

Die Relevanz von Online-Marktplätzen wie Amazon oder ebay nimmt ständig zu. Diese Entwicklung wurde durch die aktuellen Einschränkungen des stationären Einzelhandels aufgrund der Covid-19-Pandemie noch einmal verstärkt. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass die Haftung der Plattformbetreiber für Markenverletzungen der Verkäufer ein hochrelevantes Thema darstellt. Hier sind zukünftig erhöhte Sorgfaltspflichten der Plattformbetreiber zu erwarten, die über den bisher in Deutschland verfolgten Ansatz hinausgehen.

Hintergrund

Die Verletzung von Markenrechten setzt stets eine „Benutzung“ im markenrechtlichen Sinn voraus. Diese wird insbesondere dann angenommen, wenn eine Marke als Herkunftshinweis auf ein bestimmtes Unternehmen benutzt wird. Die Anbieter von Online-Marktplätzen treten im geschäftlichen Verkehr allerdings oftmals nur als Intermediäre für Drittverkäufer auf. „Benutzt“ im oben genannten Sinne wird die Marke deshalb von den jeweiligen Drittverkäufern, die damit fremde Marken als „Täter“ verletzen können, wenn diese etwa ohne Erlaubnis des Markeninhabers auf den eigenen Produkten angebracht werden. Eine direkte Haftung der Plattformbetreiber als „Täter“ wurde dagegen von den Gerichten bislang abgelehnt.

Allerdings können die Anbieter durchaus rechtliche Verantwortung für Markenverletzungen auf den von Ihnen betriebenen virtuellen Marktplätzen tragen. Nach deutscher Rechtsprechung wird die Eigenhaftung der Plattformen in der Regel mit der sog. „Störerhaftung“ (in Abgrenzung zur „Täterhaftung“) begründet. Diese besteht, wenn der Intermediär bei der Markenverletzung willentlich zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. Dies ist etwa der Fall, wenn der Plattformbetreiber obwohl er Kenntnis von einer Markenverletzung hat, die entsprechenden Angebote nicht entfernt. Die Plattformen verfolgen deshalb einen „Notice-and-Takedown“ Ansatz und löschen markenverletzende Produkte auf eine entsprechende Beschwerde des Markeninhabers hin.

Entscheidung des EuGH vom 2. April 2020 – Coty/Amazon

Das Unternehmen Coty Germany ist unter anderem Lizenznehmerin für Parfüm der Marke „Davidoff“. Es wirft Amazon vor, eine Markenverletzung begangen zu haben, da markenverletzende Ware für Drittanbieter gelagert und versandt wurde. Der BGH hatte dem EuGH in dem Rechtsstreit zwischen Coty und Amazon die Frage vorgelegt, ob bereits die Lagerung und Versendung zur Haftung der Plattformbetreiber führe, obwohl dieser keine Kenntnis von der Markenrechtsverletzung hatte und Amazon die Ware auch nicht im eigenen Namen in den Verkehr bringen wollte.

Der EuGH hat entschieden, dass der Besitz der markenverletzenden Ware, etwa durch deren Lagerung, nur dann eine direkte Markenverletzung  darstellt, wenn die Plattform selbst die Waren zum Verkauf anbieten oder in den Verkehr bringen möchte. In der entschiedenen Konstellation verfolgt Amazon keinen solchen Zweck und haftet folglich nicht bereits aufgrund der bloßen Logistik-Dienstleistungen für die Markenverletzung der Drittverkäufer.

Anmerkung

Eine Haftung bei bloßer Lagerung und Versendung der Ware hätte gegenüber der bisherigen Rechtsprechung eine erhebliche Verschärfung der Rechtslage für die Plattformbetreiber bedeutet. Deshalb war die Entscheidung des EuGH in der ergangenen Form zu erwarten. Dies darf allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass Plattformbetreiber vermehrt als Haftungssubjekt für Verletzungen geistigen Eigentums herangezogen werden. Die Diskussion um „Uploadfilter“ im Bereich des Urheberechts ist ein medial vielbeachtetes Ergebnis dieser Entwicklung.

Der Generalanwalt hatte gefordert, den Plattformbetreibern eine Pflicht zur besonderen Sorgfalt gegenüber möglichen Markenverletzungen der Händler aufzuerlegen, bei deren Nichtbeachtung die Eigenhaftung droht. Hierzu hat sich der EuGH zwar nicht explizit geäußert, aber ausdrücklich auf die Möglichkeit indirekter Haftung der Plattformbetreiber hingewiesen. Diese knüpft, vergleichbar mit der „Störerhaftung“ nach nationalem Recht, an der Bereitstellung der Plattform an. Hierdurch schafft deren Betreiber die Möglichkeit des Handels durch Drittverkäufer und damit letztlich auch die Gefahr von Markenverletzungen.

Es ist deshalb auch vor dem Hintergrund der technischen Entwicklung davon auszugehen, dass die Plattformbetreiber in Zukunft vermehrt nicht erst auf Beschwerde hin, sondern proaktiv gegen Verletzungen geistigen Eigentums vorgehen müssen, um auch in Zukunft einer Eigenhaftung für Rechtsverletzungen der Händler zu entgehen. Amazon filtert etwa bereits heute potenziell markenverletzende Angebote heraus und es ist anschließend Sache des Drittverkäufers, diesen Vorwurf zu entkräften.

Kontakt > mehr